Zeitschrift für Theologie aus biblischer Perspektive • ISSN 1437-9341
Biblisches Forum 1/1998
In der ersten Ausgabe des "Novum Testamentum Graece" 1898 fehlte der Name des Wegbereiters Dr. Eberhard Nestle auf dem Titelblatt, weil der Theologe seiner Darstellung des Urtextes nicht den Anspruch einer eigenen wissenschaftlichen Bearbeitung geben wollte. Schließlich habe er nur verschiedene Textausgaben genommen und nach dem Mehrheitsprinzip den Text geboten, den wenigstens zwei der drei Vorläufer als ursprünglich ansahen. Doch dann wurde der "Nestle" zum Inbegriff der wissenschaftlichen Textausgabe des Neuen Testaments.
Eberhard Nestle wurde 1851 in Stuttgart geboren. Das Studium absolvierte er mit "sehr guter Prüfung" an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Tübingen. Sprachstudien in Leipzig, Berlin und England schlossen sich an. Er konnte Kenntnisse in Arabisch, Äthiopisch, Phönizisch und vor allem Syrisch vorweisen. Schon als Student war er Mitglied der "Morgenländischen Gesellschaft", einer Vereinigung von Orientalisten. Außerdem beherrschte er die klassischen Sprachen der Theologen, Griechisch, Hebräisch und Latein. Nestle bedauerte, dass den meisten Pfarrern und Studenten seiner Zeit nur der sogenannte "textus receptus" des Erasmus von Rotterdam als griechischsprachiges Neues Testament zur Verfügung stand.
Der 1516 zum ersten Mal erschienene Text hatte nur einen kleinen Teil der bereits damals bekannten neutestamentlichen Manuskripte berücksichtigt. Bessere Ausgaben aus dem 19. Jahrhundert vom Leipziger Constantin von Tischendorf und von den Engländern Westcott und Hort waren zumindest für Studenten unerschwinglich.
So wandte sich Nestle 1895 an die Württembergische Bibelanstalt in Stuttgart mit dem Wunsch, in einer "zuverlässigen und billigen Ausgabe" die Ergebnisse der neueren Textforschung darzubieten. Nestle wollte einen neuen "textus receptus". Die Ausgaben von Westcott und Hort, Tischendorf und Weymouth nahm er zunächst als Grundlage, um sich dann in weifelsfällen für die Textform zu entscheiden, die von mindestens zwei akzeptiert wurde. Abweichende Auffassungen setzte er unter den Text in einen sogenannten wissenschaftlichen Apparat.
Das Novum Testamentum Graece entwickelte sich schnell zu einer Erfolgsgeschichte. Bis zum Tod Nestles 1913 erschienen 170.000 Exemplare. Bereits 1904 hat auch die Britische und Ausländische Bibelgesellschaft in London den Text Nestles für ihre wissenschaftlichen Ausgaben übernommen.
Der Preis der ersten Ausgabe in Deutschland konnte sich auch für die damalige Zeit sehen lassen: Die broschierte Ausgabe gab es bereits für 70 Pfennig, die teuerste, Chagrinleder mit Goldschnitt, für 2,20 Mark.
Quelle: Pressedienst der Deutschen Bibelgesellschaft
Aus dem Grußwort des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Prof. Dr. Udo Schmälzle:
"Die Habilitationsschrift von Herrn Steins zum Thema 'Die Bindung Isaaks im Kanon. Studien zur kanonisch-intertextuellen Lektüre am Beispiel Gen 22, 1–19' ist geradezu ein klassisches Beispiel, wenn es darum geht, das Erwartungsspektrum an ein Habilitationsprojekt einmal durchzubuchstabieren. In § 2, Abs. 1 unserer Habilitationsordnung heißt es: 'Mit dem Gesuch um Zulassung zur Habilitation ist eine druckreife theologische Abhandlung vorzulegen, die eine Bereicherung der theologischen Wissenschaft darstellt und die Fähigkeit des Bewerbers dartun muss, Forschungsarbeit zu leisten.'
Im Themenheft zum 'Canonical Approach' der theologischen Quartalsschrift 1987 stellte Gross die Frage: 'Gibt es überhaupt eine Methode kanonischer Auslegung? Bewährt sich ihre Zielsetzung in der konkreten Textarbeit?'
Sie haben in Ihrer Habilitationsschrift diese Frage aufgegriffen und am Beispiel Gen 22,1–19 aufgezeigt, dass mit dem Begriff Kanon nicht nur eine historisch-deskriptive Kategorie gemeint ist, die sich mit Strukturen der Bücher, Buchgruppen und Kanonteile beschäftigt, sondern dass mit dem Kanonbegriff eine zentrale hermeneutische Kategorie vorliegt, die uns bereits in der Bibel auf die Spuren einer Rezeptionsästhetik bringt, die den Text aus der Begegnung mit dem Rezipienten versteht, Spuren, die wir bis in die heutigen Formen des Bibelteilens verfolgen können.
Mit dieser Hermeneutik ist es möglich, die traditionellen Denkmodelle der Zuordnung von Altem und Neuem Testament zu überwinden und zu einer 'differenzierteren Verhältnisbestimmung' zu kommen, wie sie bereits auch schon von Lehmann gefordert wurde.
Unser Kollege Zenger stellt in seinem Gutachten zu Ihrer Arbeit fest: 'Diese Habilitationsschrift ist der erste Versuch einer methodologischen Grundlegung der Kanonischen Schriftauslegung […] Dass Steins dabei nicht bei Postulaten stehen bleibt, sondern sein Konzept so weit operationalisiert, dass am Text selbst getestet werden kann, halte ich für sehr wichtig und in der Tat hilfreich.'
In dieser Arbeit sind Sie weit über das hinaus gegangen, was selbst in unserer Habilitationsordnung eigentlich steht, denn es geht hier um mehr als um eine Bereicherung der theologischen Wissenschaft: um den Nachweis der Fähigkeit, Forschungsarbeit zu leisten. Sie haben ein zentrales Forschungsdefizit aufgegriffen und die Grundlage für einen fundierten Dialog auch zur Rezeption Alttestamentlicher Texte im Neuen Testament gelegt."
Welche Rolle spielen Religionen in den heutigen Gesellschaften? In der westlichen hoch- technisierten Welt scheint die Bedeutung religiösen Glaubens für die Alltagspraxis im Schwinden begriffen zu sein, dennoch beruhen nach wie vor wesentliche gesellschaftliche Grundwerte, wie beispielsweise die Unantastbarkeit der Menschenwürde, auf christlichen Wertvorstellungen. Ausgrenzung und Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten sind nicht nur Ausgangspunkt für zahlreiche Konflikte in Asien und Afrika, auch in Europa wird die Frage, ob Kreuz und Minarett friedlich koexistieren können, über die Qualität des Zusammenlebens in künftig zunehmend multikulturell zusammengesetzten Gesellschaften entscheiden.
Viele der religiös motivierten Konflikte sind aber ohne Rückgriff auf ihre historischen Wurzeln kaum noch zu verstehen. Der "Arbeitskreis zur Erforschung der Religions- und Kulturgeschichte des Antiken Vorderen Orients" (AZERKAVO) an der Universität Münster hat sich das Ziel gesetzt, Bausteine für eine vergleichende Religions- und Gesellschaftsgeschichte der Antike zu gewinnen, die auch Funktionen von Religionen in heutigen Gesellschaften besser erkenn- und beurteilbar macht.
Judentum, Christentum und Islam – die Wiege dieser drei großen Weltreligionen waren die antiken Gesellschaften des Vorderen Orients. Die lange geisteswissenschaftliche Tradition der Universität Münster hat eine Fülle wissenschaftlicher Disziplinen hervorgebracht, die sich aus je unterschiedlicher Perspektive mit diesem Themengebiet beschäftigen: Altorientalistik und Ugaristik, Vorderorientalische Archäologie, Ägyptologie und Koptologie, Bibelwissenschaften, Alte Geschichte, Klassische Philologie, Judaistik, Alte Kirchengeschichte, Byzantinistik, Religionswissenschaft, Soziologie, Indogermanistik, Islamwissenschaft und Hethitologie.
Die derzeit 38 an dem interdisziplinären Verbund beteiligten Wissenschaftler decken gemeinsam ein Forschungfeld ab, das räumlich das antike Griechenland, Kleinasien, Mesopotamien, Syrien, Palästina/Israel, Ägypten und Nordafrika einschließt und zeitlich mehr als dreieinhalb Jahrtausende umfaßt (von 3000 v. Chr. bis 600 n. Chr.). Ziel von AZERKAVO ist, in Münster einen Sonderforschungsbereich zu diesem Themengebiet zu etablieren. Bei einem ersten Beratungsgespräch wurde das Vorhaben, das pünktlich zur Jahrtausendwende starten soll, von den Gutachtern der Deutschen Forschungsgemeinschaft positiv beurteilt.
Eine Besonderheit, die Modellcharakter für andere Forschungsverbünde in den Geisteswissenschaften haben könnte, sieht Sprecher Prof. Dr. Rainer Albertz darin, daß es sich beim Aufbau von AZERKAVO um einen basisorientierten Prozeß handelte und nicht etwa die Suche von Mitarbeitern für ein bereits feststehendes Thema. "Unser Ansatz ist insofern neu, als er die religionshistorische und die religionssoziologische Perspektive gleichzeitig im Blick behält", erläutert Albertz die Herangehensweise. "Im Umgang mit einem babylonischen Gebetstext beispielsweise versuchen wir zunächst aus der Innenperspektive heraus das religiöse Glaubensgebäude zu verstehen, gehen dann aber über die reine Texthermeneutik hinaus und fragen nach dem Handlungsaspekt des Textes: Welche Funktion hatten im Text beschriebene magische Rituale im Kontext von Familie und Gesellschaft?"
Um die Methodendiskussion zu fördern, wurde zudem ein Doktorandenkolloqium ins Leben gerufen. "Wir gehen dabei nicht bloß additiv vor", betont Dr. Rüdiger Schmitt, Geschäftsführer von AZERKAVO und Leiter des Kolloquiums. "Ziel dieser Treffen ist, disziplinübergreifend an den Methoden zu arbeiten und auch die Möglichkeiten von Methodentransfers auszuloten." Ein bis zwei Mal pro Semester haben die Nachwuchswissenschaftler Gelegenheit, während sogenannter Konsulationen den Stand ihrer Forschung einem größeren Kreis von Mitarbeitern des Arbeitskreises vorzustellen.
Quelle: Pressedienst WWU Münster (UPM00946)
Nach sieben Jahren Vakanz konnte der Lehrstuhl für Exegese des Neuen Testaments an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster wieder besetzt werden. Der neue Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Martin Ebner kommt aus Würburg, wo er sich vor einem Jahr für das Fach Exegese des Neuen Testaments habilitiert und zuletzt den Lehrstuhl seines Lehrers Prof. Dr. Hans- Josef Klauck vertreten hatte.
Martin Ebner stammt aus Franken. 1956 in Schweinfurt geboren, studierte er Theologie in Würburg und Tübingen und verbrachte 1979/80 ein Studienjahr an der renommierten École Biblique in Jerusalem. Nach Abschluß des Theologiestudiums 1981 in Würzburg durchlief er zunächst die praktische Ausbildung als Seelsorger, war vier Jahre Kaplan in verschiedenen Gemeinden am Untermain und im Raum Bamberg und anschließend Religionslehrer in Aschaffenburg. In dieser Zeit begann er mit seiner Dissertation, in der die sogenannten Leidenslisten in den Briefen des Paulus unter der Perspektive beleuchtet werden, welche sprachlichen Muster und Motive sich der "Völkerapostel" für die Selbstdarstellung vor seinen von der hellenistischen Kultur geprägten Gemeinden zunutze machte.
Ab dem Wintersemester 1991/92 war Ebner als Mitarbeiter von Prof. Dr. Dr. Karlheinz Müller, einem führenden Spezialisten für Fragen des Frühjudentums, am Biblischen Institut in Würzburg tätig. In seiner Habilitationsschrift nimmt der Theologe die überaus häufigen und gerade in den ältesten Traditionsschichten der Evangelien überlieferten weisheitlichen, aus dem Alltagsleben gegriffenen kurzen Sprüche zum Ausgangspunkt, um Jesus von Nazaret als "Weisheitslehrer" zu verstehen, der für anstehende Probleme nach praktikablen Lösungen sucht und mit seinen Sinnsprüchen, die Sachverhalte aus Natur, Haus und Tierreich aufgreifen, bei einsichtigen Gesprächspartnern um Zustimmung wirbt.
In der Linie dieser Habilitationsschrift zeichnet sich als momentaner Forschungsschwerpunkt von Prof. Ebner die sozialgeschichtlich orientierte Jesusforschung ab. Generell ist sein Zugang zum Neuen Testament von einer religionsgeschichtlichen Perspektive geleitet: Die Bewegungen und Entwicklungen in urchristlichen Gemeinden, wie sie über die schmale Textbasis des Neuen Testaments zugänglich sind, mit den Augen und den Bedingungen ihrer Umwelt wahrzunehmen. Dabei ist er bestrebt, die beiden Brennpunkte im Auge zu behalten, die für die Formation des frühen Christentums prägend gewesen sind: sowohl die jüdischen Wurzeln als auch die allmähliche Einbindung in die hellenistische Kultur.
Für die theologische Arbeit hat dieser Ansatz nach Ansicht des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, Prof. Dr. Friedrich Udo Schmälzle, insofern eine kritische Bedeutung, "als er mit der Erforschung der Initialzündung und der Entwicklungen im Urchristentum unter den Bedingungen der Zeit ständig mit dem Phänomen der Inkulturation konfrontiert und damit lautlos einen sozusagen kanonisch verbürgten Anspruch auch an die heutige kirchliche Entwicklung stellt".
Quelle: Pressedienst WWU Münster (upm00948)
Das Arbeitsvorhaben wird – nach längeren durch die Universität Bamberg finanzierten Vorarbeiten – seit 1996 mit Unterstützung der DFG am Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften der Fakultät Katholische Theologie der Universität Bamberg unter Leitung von Prof. Dr. Paul Hoffmann von Dr. Thomas Hieke und Dr. Ulrich Bauer durchgeführt. Dr. Bauer entwickelte die erforderlichen Computerprogramme.
Mit der "synoptischen Konkordanz" wird der Evangelienforschung ein neues Instrumentarium und damit auch ein umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestellt, das die sprachliche Analyse der synoptischen Evangelien wesentlich erleichtert. Die Grundidee ist, das Prinzip der Konkordanz mit dem der Synopse zu verbinden.
Im Unterschied zu den gebräuchlichen Wortkonkordanzen kommen bei der synoptischen Konkordanz durch die Anordnung der Wortbelege der synoptischen Evangelien in drei Kolumnen mit den Belegstellen des einen Evangeliums zugleich die jeweiligen synoptischen Parallelen in den Blick. Statt in einem zeitaufwendigen Verfahren anhand der Konkordanz die einzelnen Belegstellen in einer Synopse aufsuchen und notieren zu müssen, wie es bei der Verwendung üblicher Konkordanzen bislang notwendig ist, können "mit einem Seitenblick" die terminologischen und syntaktischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Evangelien erfaßt werden. So wird z.B. deutlich, wie Matthäus oder Lukas ihre Markus-Vorlage rezipiert haben oder wie sie in ihrer Q-Wiedergabe abweichen.
Innerhalb der einzelnen Stichworte wird trotz der synoptischen Anordnung in drei Spalten für jeden der drei Evangelisten die Akoluthie gewahrt. Eine optische Hervorhebung ermöglicht es zudem, sehr schnell alle Belege eines einzelnen Evangelisten in der korrekten Akoluthie zu verfolgen. Das für die Erfassung des lukanischen Sprachgebrauchs relevante Belegmaterial der Apostelgeschichte wird zusätzlich in einem Anhang im Anschluß an die Synoptikerbelege präsentiert.
Literarische Beziehungen zwischen den ersten drei Evangelien werden dabei vorausgesetzt. Auch wenn die Zwei-Quellen-Theorie weithin als plausibelste Erklärung anerkannt wird, geht es der Textdarstellung primär darum, den synoptischen Befund so zu präsentieren, daß jedem Benutzer unabhängig von Quellentheorien eine eigene Urteilsfindung möglich ist. In einem Vorspann wird zunächst zu jedem in den synoptischen Evangelien belegten Wort ein statistischer Überblick über den neutestamentlichen Sprachgebrauch im Ganzen geboten. Eine spezielle Auswertung des synoptischen Belegmaterials läßt darüberhinaus Übereinstimmungen und Abweichungen im Wortgebrauch der Evangelien erkennen. Auf der Basis der Zwei-Quellen-Theorie zeigen sich so z.B. Meide- und Vorzugswörter des Matthäus und des Lukas sowie die sogenannten "minor agreements". In eigenen Statistiken werden häufiger vorkommende geprägte Wendungen oder spezifische Wortkombinationen erfaßt. Diese sind auch in der sich an die Statistik anschließenden synoptischen Stellenpräsentation – entsprechend dem in Konkordanzen üblichen Verfahren – mit Indexbuchstaben eigens ausgewiesen, so daß sie leicht aufzufinden sind.
Die Synoptische Konkordanz wird in vier Bänden in einem Gesamtumfang von etwa 5000 Seiten vom Verlag Walter de Gruyter publiziert werden. Das Erscheinen des ersten Bandes, der die Buchstaben Α bis Δ umfaßt, ist für 1999 vorgesehen. Das Gesamtwerk soll im Jahr 2001 abgeschlossen sein.
Weitere Informationen sind auf folgender Internetseite abrufbar:
http://www.uni-bamberg.de/~ba1nt2/home.html.
Quelle: Dr. Thomas Hieke