Zeitschrift für Theologie aus biblischer Perspektive • ISSN 1437-9341
Christian Frevel, Bonn
Zum Verhältnis von Bibelwissenschaft und Palästinaarchäologie[ 1 ]
Informationen zum Autor | Benutzte Literatur | Ausgabe 1/1999 |
Die Geschichtlichkeit des Glaubens und damit auch die Rückbindung biblischen Glaubensgeschehens an konkrete Geschichte sind das Fundament, das jüdisch-christlichen Glauben vor dem Versinken im sandigen Boden des Mythos bewahrt.[ 2 ] Das Verlangen, die eigentümlich 'zeitlose' Offenbarung in ihrer wesenhaft konkreten Geschichtlichkeit zu erfahren und sich ihr - durch den 'erlebenden' Kontakt mit der materiellen Hinterlassenschaft der biblischen Geschichte - zu nähern, leitete bereits die Pilgernonne Etheria bei Ihren Reisen im Heiligen Land. Durch ihre frommen Kommentare zu den bereisten Orten, die sie unserem Titel entsprechend (oder ähnlich) einleitet, erreicht sie genau das, was im Grunde Ziel aller historisch-kritischen Exegese ist, nämlich die Rückbindung biblischer Offenbarung an konkrete Geschichte.[ 3 ] Zum Erreichen dieses Zieles bedarf es außer den überlieferten Texten der materiellen Hinterlassenschaft des 'Heiligen Landes' und seiner Bewohner. Wenn auch Methoden, Einzelziele und Aussageweisen bei der Beschäftigung mit Bibeltext und 'archäologischem Datenmaterial' keineswegs deckungsgleich sind, so ist doch die Rückbindung an die konkrete und im weitesten Sinne gemeinsame Geschichte der Punkt, der das Verhältnis beider Bereiche zu einem ursprünglichen macht.[ 4 ] Die Anfänge der Beziehung zwischen Bibelwissenschaft und Archäologie liegen inzwischen weit über 100 Jahre zurück,[ 5 ] die anfängliche Euphorie, durch den 'Händedruck mit der Vergangenheit' den Unglauben auszutreiben, ist lange gewichen.[ 6 ]
Die frühe Vereinseitigung der Zielbestimmungen biblischer Archäologie
auf den Bereich historischer Sachaussagen, die sich aus dem Blickwinkel der
Bibel her ergab, ist räumlich, zeitlich und sachlich ausgeweitet worden.
Biblische Archäologie definiert sich nicht mehr von der Bibel her, sondern
will sich als Teil der Altertumswissenschaft verstehen, der als Großziel die
Erforschung der gesamten materiellen Kultur Palästinas verfolgt. Die Daten,
die diese historische Disziplin hervorbringt, beschränken sich nicht mehr
auf die Erhellung einzelner geschichtlicher Akte, sondern zielen auf das
Gesamt einer Kultur- und Sozialgeschichte.[ 7 ] Der darin deutlich werdende Ablösungsprozess
'biblischer' Archäologie von der Bibel, der seit den frühen 70er Jahren
forciert wurde - allerdings kaum als abgeschlossen betrachtet werden kann -
zog zunächst eine intensive Methoden- und Zielediskussion nach sich.[ 8 ] In dieser Debatte, die
sich in der Frage nach angemessener Nomenklatur der Disziplin
spiegelte,[ 9 ] stand
die Frage nach dem Verhältnis von Bibeltext und Archäologie im Brennpunkt,
denn wesentlich von der Zielbestimmung biblischer Archäologie hängt es ab,
wie das Verhältnis umgesetzt wird (s.u.):
Inwieweit lässt sich der Bibeltext bei der Interpretation archäologischer
Daten als bestimmender Faktor hinzuziehen?
Und umgekehrt: Wann haben archäologische Daten welche Bedeutung bei der
Auslegung der Texte?
Die durchgängige Konjunktur dieser Fragestellung ist also verbunden mit der Umorientierung der Biblischen Archäologie; durch die 'Hinwendung' zur Altertumswissenschaft werden die Ziele anders definiert und die Frage nach der Beziehung von literarischer und materieller Hinterlassenschaft stellt sich neu. Die Problematik des Verhältnisses besteht nicht in der grundsätzlichen Verschiedenheit der Aussageweisen beider Disziplinen an sich, sondern darin, dass diese im Schnittbereich argumentative Kraft gewinnen und in ihrer Verschiedenheit denselben Gegenstand (geschichtliche Wirklichkeit) beurteilen.[ 10 ] Da beide interpretierbare Daten einbringen, ist methodischer Rückhalt bei der Kombination beider Bereiche umso dringlicher.
Zwei kurze Beispiele mögen das verdeutlichen:
Am bekanntesten ist die Problematik im Bereich der Frühgeschichte Israels im Fall der 'archäologischen Lösung' der Landnahme. Die Verbindung von Brand-/Zerstörungsschichten palästinischer Ortslagen im 13. Jh. v. Chr. und gleichzeitigem 'Kulturabbruch' mit den Eroberungsberichten im Josuabuch und damit die archäologische Erhärtung des militärischen 'Conquest', ist bisher wohl das häufigste Beispiel für die verhängnisvolle Verknüpfung interpretabler Daten mit konkreten literarischen Erzählungen.[ 11 ] Die Vielfalt von möglichen Gründen des 'Kulturabbruchs' und der in Frage kommenden 'Verursacher' der Brandschichten wird auf biblische Informationen hin verengt und vereinfachend historisiert. Die Diskussion um die Landnahme kann als Ausgangspunkt der Debatte bezeichnet werden; sie zeigt ebenfalls die deutliche Fixierung auf historische Zusammenhänge bei der Kombination beider Bereiche.
Gerade in jüngerer Zeit ist der Wert archäologischer Untersuchungen für das Verständnis von Religion und Kult gewachsen. Als frühes Beispiel dieses Aufschwungs kann Aharonis Nachgrabung in Lachisch gelten. Er fand dort in einem kleinen Kultraum aus der Eisen II A-Zeit (10. Jh.) einen behauenen, 1,2m hohen Stein (Masseba) und einen Aschehaufen, vermutlich von einem Olivenbaumstamm. Aharoni deutete dies als Aschera.[ 12 ] Im Anschluss daran verleitet dieser Fund M. Rose gar dazu, die Aufgabe des 'Heiligtums' in der Eisen II-B Zeit mit dem Verbot des Ascherakultpfahls in Dtn 16,21 in Verbindung zu bringen,[ 13 ] das (auch der Sache nach) sicher nicht vor dem 8. Jh. entstanden ist. Deutlich stützen sich hier Text und Archäologie - beide auf wackeligen Füßen - gegenseitig.[ 14 ]
Die unkritisch-historisierende Einbindung archäologischer 'Fakten' in Interpretationsprozesse lässt sich bei näherer Betrachtung erklären. Zum einen sind historische Konstellationen mitverantwortlich, die zu einem nicht unwesentlichen Erfolgsdruck beigetragen haben.[ 15 ] Die frühere apologetische Grundtendenz bei der Verwendung von 'facta bruta' muss ebenfalls als Faktor für ein Missverhältnis in Betracht gezogen werden. So wundert es letztlich nicht, dass die Auseinandersetzung mit den besonderen Problemen im Schnittbereich zwischen Bibeltext und Bibelarchäologie erst recht spät begann und auch heute in vielen Fällen bei der Warnung zur Vorsicht stehen bleibt, ohne methodische Kriterien für die geforderte Behutsamkeit anzugeben.[ 16 ]
Betrachtet man die derzeitige Situation im wissenschaftlichen Bereich und dem entsprechenden Umfeld, lässt sich eine Einheitlichkeit in der methodischen Bestimmung des Verhältnisses von biblischer Exegese und Palästinaarchäologie nicht finden. Die Bandbreite, in der die Beziehung bestimmt werden kann, lässt sich in vier abgestuften Modellen[ 17 ] vorstellen. Es muss betont werden, dass diese Modelle - wie auch die genannten Kriterien - weitgehend aus dem Blickwinkel der Bibelwissenschaft zusammengestellt sind. Aus archäologischer Sicht gibt es analoge Abstufungen, die sich leicht aus den folgenden Ausführungen übertragen lassen.
Die Archäologie wird lediglich (mehr oder weniger) zur Bestätigung des Bibeltextes und biblischer Forschungsergebnisse herangezogen. Von Seiten der Bibel wird kein Einfluss auf die Forschungsinhalte der Archäologie genommen. Die zur Verfügung stehenden (Ausgrabungs-)ergebnisse werden nur in beschränktem Maße und äußerst selektiv aufgenommen.[ 19 ] Häufig divergieren dabei die beiden Grundkonstanten 'Raum und Zeit' der in Beziehung gesetzten biblischen und archäologischen Sachverhalte. Es wird eine deutliche Abstufung des Wahrheitsgehaltes beider Bereiche postuliert. Es existieren keine methodischen Grundsätze für die Relation; die Einbindung zielt auf eine Historisierung biblischer Informationen. Unter dieses Modell lassen sich die 'Jugendsünden' im Umgang mit der Archäologie und insbesondere fundamentalistische Kreise einordnen.[ 20 ]
Die Archäologie wird als Magd der Bibelwissenschaften verstanden, die für bestimmte Fragen 'antwortendes' Material zu liefern hat. Biblische Archäologie definiert sich ausschließlich von der Bibelwissenschaft her (das Attribut 'Biblisch' wird zum Bestimmenden). Archäologie ist im direktesten Sinn eine Hilfswissenschaft ohne Eigenständigkeit und Eigenwert; ihre Forschungsinhalte und insbesondere ihre räumliche und zeitliche Ausdehnung werden von der Bibel her bestimmt. Das methodische Postulat von vorgängigen, voneinander getrennten, eigenständigen Sachanalysen in beiden Bereichen existiert nicht. Archäologische Ergebnisse werden in den Interpretationsprozess eingeflochten. Dabei liegt der Schwerpunkt deutlich auf Einzelergebnissen, eine Rückbindung an ein archäologisches Gesamtbild (Entwicklungen und Tendenzen) erfolgt nicht. Methodische Überlegungen bleiben meist bei der Mahnung zur Vorsicht stehen.[ 21 ] Zwischen diesem und dem folgenden Modell lässt sich das Gros der Autoren ansiedeln.
Archäologie wird hier als eigenständige Wissenschaft mit eigener Methodologie aufgefasst. Palästinaarchäologie wird als Teilwissenschaft der Archäologie verstanden, die von ihrem Forschungsgegenstand her in einem bestimmten räumlichen und zeitlichen Ausschnitt eine besondere Affinität zur Bibel aufweist. Lediglich dieser Ausschnitt wird bei Wahrung der Methodologie des gesamten Wissenschaftsbereiches als Hilfswissenschaft für die Bibel eingebunden. Ein Anspruch auf Einfluss auf die Forschungsinhalte wird von beiden Seiten nicht erhoben. Es findet ein reger wissenschaftlicher Austausch statt, Forschungsschwerpunkte und Projekte werden abgesprochen und gemeinsam verwirklicht. Die Einbindung archäologischer Forschungsergebnisse erfolgt erst nach Einzelanalysen und Interpretationen auf beiden Seiten; sie versucht immer eine Rückbindung an das Gesamtbild, das die Archäologie nach ihren Maßstäben zur Verfügung stellt, um die Gefahr der Horizontverengung durch Selektion zurückzudrängen. Es werden eigene methodische Grundsätze für die Verhältnisbestimmung von Bibeltext und Archäologie und Kriterien für die Einbindung erarbeitet. Dieses Modell beschreibt den Idealfall einer methodisch abgesicherten fruchtbaren Zusammenarbeit.
Beide Wissenschaftsbereiche sind von ihren Methoden und Inhalten streng getrennt und unabhängig. Kennzeichnend ist, dass auch der zeitliche und räumliche Schnittbereich von Archäologie und Bibel völlig von der Bibel abgekoppelt ist. Sofern keine Sachnotwendigkeit besteht, werden beide nicht In Beziehung gesetzt. Die Bibelwissenschaft ist überwiegend literaturwissenschaftlich orientiert und nur gelegentlich an archäologischer Forschung interessiert. Gesamtkonzepte geschichtlicher Entwicklung seitens der Archäologie werden wahrgenommen, aber als inkompatibel oder irrelevant aus der Beschäftigung mit den Bibeltexten herausgehalten. Auf beiden Seiten werden die je eigenen methodischen Grundsätze für die Einbindung angewandt; methodologische Überlegungen für den Zwischenbereich der Relation von Text und Archäologie fehlen. Auf Seiten der Bibelwissenschaft ist dieses extreme Modell seltener, häufiger allerdings auf archäologischer Seite.
Die wichtigste Forderung besteht schlicht darin, dass die in Beziehung zu setzenden Bereiche zuvor mit ihren eigenen Methoden analysiert werden müssen. Die Einbindung eines Bereiches in den Analysegang des anderen führt häufig zur gegenseitigen Affirmation. Eine Unsicherheit wird dann durch eine andere erklärt. Biblische Texte sind zunächst nach literarhistorischen Gesichtspunkten erschöpfend zu untersuchen, bevor z.B. die Verwendung eines Lexems durch Realien erläutert wird.[ 22 ] Insbesondere ist die Intention des Textes einzubeziehen.
Besondere Beachtung bedarf dann die Rückbindung der Einzelergebnisse in einen 'Gesamtzusammenhang' des jeweiligen Sachgebietes. D.h. bevor ein Einzelfund zur Deutung eines Textes herangezogen wird, ist dieser in archäologische Konstellationen einzuordnen und entsprechend zu interpretieren. Es muss ständig bewusst sein, dass es sich um Einzelphänomene handelt. Ansonsten läuft man Gefahr, die Regel durch die Ausnahme zu erklären. Steht der Fund für eine Gruppe oder für eine ungeklärte Lokaltradition, die letztlich noch importiert wurde? Anzustreben ist jeweils eine größere Zahl von Daten, so dass Vergleichsschlüsse zumindest auf breiter Basis gezogen werden.
Neben der sachlichen Kongruenz der in Beziehung zu setzenden Sachverhalte ist auf eine größtmögliche räumliche und zeitliche Nähe beider Bereiche zu achten. So muss z.B. die spätbronzezeitliche ugaritische Götterikonographie zunächst in den Kontext der bekannten Motivkonstellationen der SB-Zeit des Großraumes Syrien-Palästina eingeordnet werden. Im Anschluss daran muss die Kontinuität der Darstellungen in die Eisenzeit hinein überprüft werden. Besteht eine feststellbare Diskontinuität zur Eisenzeit, ist dieser Befund auf jeden Fall miteinzubeziehen, wenn sb-zeitliche Motivik mit dem AT verbunden wird. Die Nachprüfbarkeit muss jeweils gewährleistet sein; insbesondere muss die quantitative Basis genannt werden, auf der eine Verbindung beruht.
Die genannten Postulate setzen eine gleichzeitige Kenntnis des Forschungsstandes beider Sachgebiete voraus. Deutlich ist, dass dies auf Grund der Materialfülle und Spezialisierung kaum noch von Einzelnen zu leisten ist.[ 23 ] Darin besteht einerseits ein Hindernis, andererseits aber auch eine Aufgabe, den entsprechenden Forschungsstand aufzuarbeiten und bereitzustellen. Die Kriterien bilden lediglich ein grobes Raster, das zunächst als Filter dienen kann. Die genannten Punkte klingen weithin selbstverständlich, allerdings beginnen meist schon an diesen einfachen Punkten die Holzwege, die zu Missinterpretationen bei der Kombination von Text und Archäologie führen.
Von der Schriftleitung gekürzte Fassung des gleichnamigen Beitrags in BN 47 (1989) 35-90. Wir danken den "Biblischen Notizen" für die Möglichkeit des Wiederabdrucks.
[ 2 ]Vgl. auch King (1983) 3f: "Archaeology prevents the Bible from being mythologized, by keeping in the realm of history"
[ 3 ]Vgl. dazu Küchler (1987) 11-35; Noort (1979) 10f; zu den Pilgerberichten vgl. Peregrinatio Etheriae, in: Donner (1979) 69-137.
[ 4 ]Dass die Beziehung beider Wissenschaftsbereiche nicht sekundär, sondern ursprünglich ist, schließt die sachnotwendige Eigenständigkeit beider Disziplinen nicht aus. Zu dieser grundsätzlichen Verhältnisbestimmung vgl. besonders Fritz (1980) 342; vgl. auch Fritz (1985) 225.
[ 5 ]Zur Geschichte der biblischen Archäologie vgl. Keel / Küchler (1984) 348ff; Weippert (1988) 35ff; Noort (1979) 6ff; Thiel (1989); zum Verhältnis von 'Biblischer Archäologie' und Neuem Testament und der häufig festzustellenden Eingrenzung der Biblischen Archäologie auf die alttestamentliche Zeit vgl. auch Klaiber (1981).
[ 6 ]Diese Zielbestimmung wird beispielhaft deutlich bei der Gründung der Palestine Exploration Society 1870: "whatever goes to verify the Bible history as real, in time, place and circumstances, is a refutation of unbelief", zit. nach de Vaux (1970) 67; vgl. auch Keel / Küchler (1984) 367. Noort (1979) 6f versteht die 'Albright-Schule' als Erben dieser Position.
[ 7 ]Vgl. zur Ausweitung der Ziele Noort (1979) 18ff; Fritz (1987) 8f.
[ 8 ]Vgl. z.B. Crüsemann (1979) (Lit.!); zu den 'neuen' naturwissenschaftlichen Methoden vgl. Hrouda (1978); Noort (1979) 12-18; Fritz (1985) 60ff.
[ 9 ]Lässt sich das Attribut 'Biblisch' nach der Ausweitung der Ziele (s.o.) halten oder soll es durch 'Palästinaarchäologie' geographisch eingegrenzt werden? Daneben steht noch die 'New Archaeology', die für eine kulturanthropologische Ausweitung der Ziele steht; vgl. zur 'Syro-Palestinian' bzw. 'New Biblical archaeology' die verschiedenen Aufsätze V. G. Devers in BAR, Basor u.a.. Zu weiteren Namen/Attributen und der Einordnung dieser Zieldiskussion in den Rahmen der gesamten Archäologie, vgl. Noort (1979) 18ff (Lit!). Die Positionen innerhalb der Diskussion sind nicht durch die jeweilige Nomenklatur zu differenzieren, vielfach findet sich das, was 'Palästinaarchäologie' meint, als Biblische Archäologie und umgekehrt.
[ 10 ]Die Problematik ist nicht auf das Verhältnis Archäologie beschränkt, sondern taucht im Grunde bei allen 'Kontakten' zwischen Geisteswissenschaften im weitesten Sinne und empirisch/naturwissenschaftlich-historischen Disziplinen auf. Nicht eine in der Wurzel unversöhnliche Opposition, sondern der unterschiedliche Zugang zur Wirklichkeit schafft Probleme.
[ 11 ]Aus der Vielfalt der Autoren, die an diesem Beispiel das Verhältnis von Archäologie und Text problematisieren, seien einige herausgegriffen: (inzwischen klassisch:) M. Noth, ABLAK 1, 3-51; Franken (1976) 3-11; Noort (1979); Noort (1987); King (1983); King (1983a); Schoors (1985); Lemche (1985) 386ff; Thiel (1989a) 96f.
[ 12 ]Vgl. Aharoni (1969) 576-578: "Just en face (vor der Massebe) d'elle, il y avait les restes brûlés d'un tronc d'arbre, peut-être une asherah" (577) ; Aharoni (1976) 26ff; Aharoni (1977) 749. Der gleichen Deutung schließt sich Weippert (1988) 478 an. Die Deutung ist weitgehend spekulativ, zu Grunde liegt die häufige gemeinsame Nennung der beiden Komponenten (Massebe und Aschera) im AT. Die Hoffnung, Ascheren in situ finden zu können, wird man auf Grund des Materials getrost aufgeben dürfen. Zu ähnlichen Funden vgl. V.L. Reed, Art. Asherah, IDB, 251.
[ 13 ]Rose (1975) 186. Bei der Verbindung des Verbotes in Dtn 16,21 mit der Zerstörungsart des Kultpfahls (im 10. Jahrhundert vor Christus!), muss dazu noch die spätdtr Vorschrift zur Verbrennung von Ascheren Dtn 12,3 Pate gestanden haben. Damit keinesfalls genug: Rose bringt auch den Aufschwung der 'Pillar Figurines' (vgl. dazu U. Winter, Frau, a.a.o. passim und s.u.) in der Eisenzeit mit Dtn 16, 21 in Verbindung. Der Ascherakult sei auf Grund des Verbotes in den Bereich der Privatfrömmigkeit abgeglitten. Die Figürchen stehen hier - wie oft - fälschlich für die große Popularität von Aschera (vgl. 186). Gleichermaßen unangemessen ist die Behauptung G.N. Ahlströms, dass die Kultfigürchen auf Grund der Funde in Palastkontexten zum offiziellen Kult gehörten [vgl. Ahlstöms (1984) 1361].
[ 14 ]Zu weiteren Beispielen s.u. Ein Beispiel aus der Sozialgeschichte sei nur angedeutet. Verbindung der in Tell el-Fir'a festgestellten sozialen (?) Differenzierungen im Hausbau (Wechsel von der Eisen IIA zur IIB-Zeit, zum Befund vgl. Weippert (1988) 530ff) mit der Sozialkritik der Propheten insb. Amos. Dass der Befund (6 Hausgrundrisse) kaum ausreicht, ihn auf den gesamten Landesteil zu beziehen hat J.de Geus (1982) betont. Vgl. dazu und zu anderen in Frage kommenden Stadtarchitekturen auch Fleischer (1989) 391-401.
[ 15 ]Da die Palästina-Archäologie nicht unabhängig von der Bibelwissenschaft entstand (s.o. die Literatur zur Geschichte) und die Interessenbestimmung eindeutig von letzterer ausging, konnte und kann ein Autonomieprozess nur mit Mühe vollzogen werden. Bezieht die Archäologie ihre Legitimation nicht aus sich selbst heraus, sondern nur im Bezug auf die Bibel, kommt es notwendig zu einem Erwartungsdruck.
[ 16 ]So z.B. Leslie (1984) 10ff.
[ 17 ]Die vier Modelle sind konstruiert. Sie stehen nicht für bestimmte 'Schulen' und spiegeln nicht stringent eine entwicklungsgeschichtliche Linie, sondern sollen das mögliche Spektrum verdeutlichen. Selten lassen sich Autoren einer der vier Stufen klar zuordnen, da die Übergänge fließend sind. Einzelne Autoren oszillieren teilweise - je nach Forschungsgegenstand - zwischen den Modellen!
[ 18 ]Vor dem Affirmationsmodell könnte man eine weitere Stufe annehmen, in der der Wahrheitsanspruch der Bibel so hoch angesetzt wird, dass beide Bereiche vollständig inkompatibel sind und faktisch kein Verhältnis existiert. Dieses Modell kommt allerdings im wissenschaftlichen oder wissenschaftsnahen Bereich so gut wie nicht mehr vor.
[ 19 ]Vgl. z.B. Eybers (1981) 3-91, der eine wahre Einschränkungslitanei bietet, um jederzeit gebotene archäologische Ergebnisse ausfiltern zu können.
[ 20 ]Zu Fundamentalismus und Bibelarchäologie vgl. ausführlich Oesch (1988) und Oesch (1988a).
[ 21 ]Deutlich wird dieses Modell z.B. bei Millard (1980), der als Zielbestimmung das Bereitstellen der "Kulisse und (der) Bühneneinrichtung für das 'Drehbuch' Bibel" (7) angibt. Seine extreme Nähe zum Affirmationsmodell verdeutlicht Oesch (1988) 119f; vgl. zur Klassifizierung auch Sauer (1982).
[ 22 ]Zur analogen Forderung innerhalb kunstgeschichtlicher Forschung vgl. van der Meulen / Speer (1988) 1-8.
[ 23 ]Vgl. dazu Weippert (1988) XV ; Herrmann (1988) 70.
Originaladresse:
http://www.bibfor.de/archiv/99-1.frevel.htm
Informationen zum Autor | Benutzte Literatur | Ausgabe 1/1999 |