Zeitschrift für Theologie aus biblischer Perspektive • ISSN 1437-9341
Jürgen Zangenberg, Wuppertal
Informationen zum Autor | Benutzte Literatur | Ausgabe 1/1999 |
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Nur die Phantasie ist es, die zu großen Entdeckungen
führt.
Sir William M. Flinders Petrie (1853–1942)
Anders als zum Beispiel Galiläa oder weite Teile Judäas ist Samarien bisher von der archäologischen Forschung eher stiefmütterlich behandelt worden. Abgesehen von Grabungen einzelner herausragender Stätten wie Samaria/Sebaste, Tell-Balata (Sichem) oder des Garizim hinkt die Erforschung des nichturbanen Raumes trotz vielversprechender Anfänge deutlich hinter dem Kenntnisstand anderer Gebiete zurück.[ 2 ] Die Auswertung dieser Surveys hinsichtlich der Besiedlungsgeschichte der Region in hellenistisch-römischer Zeit hat noch nicht einmal annähernd begonnen.[ 3 ]
Dies ist umso bedauerlicher, da Untersuchungen zu die Region betreffenden antiken Texten in jüngster Zeit interessante Ergebnisse zum kulturellen Profil Samariens in neutestamentlicher Zeit geliefert haben.[ 4 ] Diese Studien haben klar herausgearbeitet, dass während der hellenistisch-römischen Epoche nicht nur Samaritaner, sondern auch Heiden verschiedener Couleur und vermutlich auch Juden in der Region präsent gewesen sind. Doch lässt sich das aus der Literatur hervorgehende Bild einer religiös bzw. ethnisch vielschichtigen Region[ 5 ] noch nicht anhand der Ergebnisse archäologischer Feldforschung verifizieren und zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammenführen.[ 6 ] Abgesehen von Fundstätten wie dem Garizim, wo sich samaritanische und pagane Nutzung recht genau voneinander unterscheiden und rekonstruieren lassen,[ 7 ] oder der zweifelsfrei hellenistisch-paganen Stadt Sebaste, tappen wir an anderen Stellen hinsichtlich der Präsenz bestimmter Gruppen noch vielfach im Dunklen.[ 8 ] So ist z.B. noch völlig unklar, wie die einzelnen religiösen und ethnischen Gruppen über den Garizim und Sebaste hinaus den nichturbanen Raum genutzt haben. Gerade hier versagen auch die wichtigen Surveys aufgrund der bekannten methodischen Schwächen: aus dem Vorhandensein von Besiedlung lässt sich noch nicht auf das geistige Profil der Bewohner schließen, ältere Siedlungshorizonte sind oft durch spätere (byzantinische) Bauphasen überdeckt,[ 9 ] das Fehlen von Oberflächenkeramik bedeutet nicht automatisch das Fehlen einer entsprechenden Besiedlung. Würden wir in archäologischer Hinsicht jedoch klarer sehen, dann ließen sich Überlegungen auf das wirtschaftliche Potential der Region, ihre Einbindung in das kulturelle Gefüge Gesamtpalästinas, ihre Bevölkerungsstärke oder Änderungen der Siedlungsdauer und -struktur der einzelnen Gruppen anstellen. Von all dem sind wir derzeit besonders hinsichtlich der hier zur Debatte stehenden "neutestamentlichen" Epoche[ 10 ] noch weit entfernt, archäologische Befunde und textliche Einsichten lassen sich noch nicht in wünschenswerter Klarheit miteinander verknüpfen.
Abgesehen von eher praktischen Ergebnissen auf dem Weg zu einer "Topographie religiöser Gruppen" in Samarien in neutestamentlicher Zeit lassen sich angesichts der geschilderten Forschungslage auch, zweitens, interessante methodische Fragen erörtern. Vieles, was ich im Folgenden vorbringe, dürfte für Facharchäologen jedoch nicht neu sein, im Gegenteil. Sie sind auch nicht mein primärer Adressat, vielmehr wende ich mich an Exegeten jüdischer und christlicher Schriften, die in ihren Wissenschaften nach dem Beitrag der Archäologie bei der Erstellung eines möglichst umfassenden Bildes der Kultur und Gesellschaft Palästinas der Jahrhunderte um die Zeitenwende fragen. Der Zielsetzung des Biblischen Forums entsprechend, und um eine möglichst lebhafte Diskussion anzuregen, spitze ich meine Überlegungen jeweils in Thesenform zu.
Unbestritten ist, dass der derzeitige Stand unserer Kenntnisse über Samarien zum einen an der geringen Anzahl untersuchter Fundstellen und der noch weit geringeren Anzahl archäologisch brauchbarer Grabungspublikationen liegt, und es ist zu hoffen (und nicht unwahrscheinlich), dass sich diese unbefriedigende Situation in den nächsten Jahren bessert.
Doch stellen fehlende Funde und Befunde nur einen Faktor der Problematik dar. Nicht weniger wichtig ist die methodische Reflexion der Kriterien der Zuweisung bestimmter Funde und Befunde zu einer der in Samarien beheimateten Gruppen. Wo zum Beispiel ein Zeustempel gefunden wird, liegt die Präsenz paganer Gruppen nahe (so etwa auf Tell er-Ras, der Nordspitze des Garizim). Doch nicht überall sind solche monumentalen Bauwerke oder derart eindeutige Inschriften wie auf Tell er-Ras zu finden. Wie aber kann ich die Präsenz von Samaritanern an einer Fundstelle außerhalb des Garizim nachweisen? Was unterscheidet Indizien samaritanischer von zeitgenössischer jüdischer Präsenz? Ist es überhaupt möglich, eine Fundstelle nur einer Gruppe zuzuweisen? Bedeutet die Präsenz der einen Gruppe notwendig die Absenz der anderen?[ 11 ] Und vor allem: wie kann ich methodisch nachprüfbare Antworten zu den gestellten Fragen wagen? All diese Fragen werden seit geraumer Zeit vor allem in den USA verstärkt diskutiert, wo es einen erfreulich lebhaften und kontroversen Austausch zwischen Religions- und Bibelwissenschaftlern, Judaisten, Archäologen und Vertretern der Social Anthropology gibt. Im deutschsprachigen Raum hingegen glauben nach meinem (vielleicht trügerischem) Eindruck weite Teile der neutestamentlichen Forschung immer noch, ohne diesen Diskurs auskommen und unter oft völliger Vernachlässigung der materiellen Kultur beispielsweise Aussagen über das Judentum oder zum kommunikativen Hintergrund neutestamentlicher Passagen formulieren zu können.[ 12 ] Freilich kann keiner alles wissen, daher ist der Diskurs notwendiger denn je. Grundlage jeglichen Diskurses ist die Verständigung über die Methoden der Differenzierung und des Vergleichs.
Daher formuliere ich im Hinblick auf unser Thema These 1:
Materialakkumulation ohne Methodenreflexion macht blind. Die Erweiterung des Fundmaterials muss stets einhergehen mit dem Nachdenken darüber, wie es zum Sprechen gebracht werden kann. In unserem Fall: Was tragen neue Funde zur Beantwortung des religiösen Profils ihrer ehemaligen Produzenten bzw. Benutzer aus?
Nun lässt sich zeigen, dass viele Überlegungen zum religiösen Profil der Samaritaner in neutestamentlicher Zeit von Vorstellungen und Begriffen geprägt sind, die uns vor allem in Texten begegnen (z.B.: Samaritaner halten sich fern von Juden, Juden vermeiden Kontakt mit Heiden). Dies fußt zweifellos auf der Annahme, dass wir uns im Bereich der Texte auf meist sichererem Terrain bewegen als bei vermeintlich unspektakulär-fragmentarischen Töpfen oder auf den ersten Blick hoffnungslos wirren Mauerzügen. In der Tat hat die Interpretation samaritanischer Texte oder von Texten über Samaritaner in letzter Zeit erfreuliche Fortschritte gemacht, so dass es ein Unding wäre, auf die Erkenntnisse dieser Forschung verzichten zu wollen. Doch ist andererseits die Gefahr eines solchen textorientierten Vorgehens mindestens ebenso evident: Wenn Texte, deren Repräsentativität in den meisten Fällen eigentlich erst noch zu klären wäre, den methodischen Ausgangspunkt zur Deutung archäologischer Funde und Befunde darstellen, dann werden sie oft genug auch zum inhaltlichen Filter. An manchen Beispielen lässt sich zeigen, wie eine derartige Vorgehensweise zu selektiver Inanspruchnahme archäologischer Befunde mit zuweilen geradezu apologetischer Tendenz führt, die letztlich auf Kosten einer sachgemäßen Interpretation der archäologischen Befunde aus eigenem Recht geht.[ 13 ] Nur allzu oft findet man heraus, was man vorher schon gewusst zu haben meint. Der Grad an möglicher Innovation und der Druck zur Überprüfung bisheriger Axiome kann so zwar auf geringem Niveau gehalten werden, doch erkauft man sich diese "Stabilität" durch eine recht geringe faktische Erweiterung unserer bisherigen Kenntnisse.
Einige Überlegungen mögen dies verdeutlichen: Da viele unserer einschlägigen Texte über die uns hier interessierende Frühgeschichte der samaritanischen Religionsgemeinschaft nicht samaritanischen, sondern jüdischen oder frühchristlichen Ursprungs und mit oft sehr polemischem Interesse verfasst sind, streichen sie naturgemäß die Unterschiede zu den Samaritanern stärker heraus als verbindende Elemente.[ 14 ] Zuweilen ist gerade die Tendenz festzustellen, den immer noch beträchtlichen Anteil gemeinsamer Überzeugungen unter Verweis auf ein kontroverses Thema grundsätzlich in Frage zu stellen. Eine bedeutende Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Betonung des Garizim als einziges legitimes Heiligtum durch die Samaritaner als das trennende Thema.[ 15 ] Da Texte zu dieser Kontroverse oft sehr plastisch und direkt formuliert sind, eignen sie sich zweifellos auch als Kriterium der Identifikation samaritanischen Profils im Kontext der anderen Gruppen des damaligen Judentums und darüber hinaus. Der Inanspruchnahme des "Garizimkriteriums" auch für Probleme archäologischer Natur scheint also nichts im Wege zu stehen, und eine wie auch immer sich äußernde "Verbindung" eines Befundes oder Objektes mit dem Garizim spielt auch heute noch bei der Frage der Identifikation samaritanischer Relikte eine wichtige Rolle. Doch entgeht man selbst mit diesem vermeintlich so eindeutigen Kriterium nicht schwerwiegenden Gefahren. Vier Punkte seien kurz angerissen:
Die Beachtung eines einzelnen kontroversen Themas wie des Garizim darf nicht zur Vernachlässigung aller "nichtspezifischen" archäologischen Fundgruppen führen. Was heißt es z.B., wenn sich im Bereich der Akropolis des Garizim gefundene und aufgrund des Fundzusammenhangs mit Inschriften als zweifelsfrei "samaritanisch" zu geltende Gebrauchskeramik, Hausarchitektur, Lampen, Industrieinstallationen (Ölpressen) etc. in nichts[ 16 ] von dem Material unterscheidet, welches von anderen zeitgleichen Stellen her bekannt ist? Wie repräsentativ ist dann das Garizimargument noch für die Rekonstruktion des täglichen Lebens? Die Kontinuität in der materiellen Kultur spricht eine eigene, deutliche Sprache, die man nur zu hören bereit sein muss. Freilich, die Beantwortung der Frage, welche Prägekraft man den theologischen Kontroversen angesichts der vielfältigen Kontinuität der materiellen Kultur des Alltags zubilligen möchte, kann nicht allein aufgrund der Archäologie entschieden werden, aber wie auch immer die Entscheidung ausfällt, sie darf nicht gegen archäologische Befunde fallen, sofern man daran festhalten will, dass antike Religion stets Teil des Alltags[ 17 ] war und Menschen bei aller Vielschichtigkeit der Lebensvollzüge nicht in gänzlich verschiedenen Welten gelebt haben.[ 18 ] Daher ist davor zu warnen, sich den isolierenden und übertreibenden Blickwinkel mancher Texte so sehr zu eigen zu machen, dass man den Rest des Materials unterschlägt. Die meisten unserer Texte sind ein untaugliches Mittel zur Rekonstruktion genau dieser "stillschweigenden" Interaktion und Aktivität auf der Ebene des Alltags und sollten daher in ihrem Aussagewert nicht überschätzt werden.
Angesichts unseres begrenzten archäologischen Fundus kann man nicht von mehr oder minder festgefügten "patterns" ausgehen, wie der Garizim von Samaritanern als Erkennungszeichen nach außen oder Ausdruck eigener Selbstdefinition nach innen "ins Spiel gebracht" worden ist. Dementsprechend unterschiedlich ist auch, welche Rolle dem "Garizimkriterium" bei der Interpretation archäologischen Materials in der Forschung zugemessen wird. So wird es zum Beispiel eingesetzt, um ein Gebäude als samaritanische Synagoge zu identifizieren, da sein Eingang bzw. seine Apsis geographisch "auf den Garizim hin orientiert ist". Doch wird dabei oft nicht genügend berücksichtigt, dass auch jüdische Synagogen, sofern sie direkt nördlich von Jerusalem errichtet wurden, zwangsläufig auch auf den Garizim orientiert sind und umgekehrt.[ 19 ] Des Weiteren spielt die Erwähnung des Wortes "Garizim" in epigraphischem oder literarischem Material als Identifikationskriterium eine ebenso große Rolle wie in ikonographischer Hinsicht, wenn die Abbildung des Garizim samaritanische Provenienz eines Objektes begründen soll[ 20 ] (zum Beispiel Lampen). Und auch bei diesen vermeintlich so eindeutigen Fällen ist man sich nicht immer bewusst, dass es zu jeder Regel auch Ausnahmen gibt: So ist die literarische Nennung des Garizim auf einem Papyrusfragment von Masada noch keinesfalls ausreichend, in der Tat sehr weitgehende Vermutungen über die Präsenz von Samaritanern unter den Verteidigern von Masada anzustellen,[ 21 ] und trotz der ikonographischen Präsenz des Garizim auf kaiserzeitlichen Münzen der Stadt Flavia Neapolis wird zu Recht wohl niemand behaupten wollen, diese Münzen seien deshalb samaritanischen Ursprungs.[ 22 ]
Es ist bisher noch völlig unklar, zu welcher Zeit die Garizimthematik durch die Samaritaner nicht nur sprachlich (also in Texten und Worten), sondern auch architektonisch und ikonographisch umgesetzt worden ist. Es gibt guten Grund anzunehmen, dass dieser Schritt weitaus später vollzogen wurde als das Thema Garizim in der theologischen Kontroverse zu firmieren begann.[ 23 ] Träfe diese Annahme zu, dann entfiele ein archäologisch klar erkennbares Kriterium zur Identifikation samaritanischer Präsenz für eine lange Zeit samaritanischer Geschichte. Dem Archäologen wären für diese Periode im wahrsten Sinne des Wortes die Augen verbunden, samaritanische Funde wären ohne dieses Unterscheidungskriterium schlichtweg nicht als solche erkennbar.
Es ist genau auf die Art und Weise zu achten, wie und mit welchen Konnotationen der Garizim in unseren Textquellen erwähnt wird. Hier kann es sich bitter rächen, den polemischen Grundton einschlägiger Texte zu übersehen und alle mit dem Thema verbundenen sachlichen Angaben als Reflex tatsächlicher Zustände für bare Münze zu nehmen. Polemik ist eben nicht der Wirklichkeit, sondern der selbst erkannten Wahrheit verpflichtet. Auch hierzu ein Beispiel: Nicht wenige jüdische Texte werfen den Samaritanern vor, sie seien Abkömmlinge fremder Volksstämme und würden auf dem Garizim neben dem Gott Israels mehr oder minder offen auch fremde Götzen anbeten, also "Synkretismus" betreiben.[ 24 ] Dieses Bild prägte die Samaritanerforschung für lange Zeit. Als man dann in den 60er Jahren auf Tell er-Ras, dem Nordgipfel des Garizim, die Reste eines zweiphasigen Zeustempels fand, konnte man diese mit Hinweis auf den synkretistischen Charakter der Samaritaner und trotz der klaren Hinweise auf einen paganen Zeuskult als samaritanisches Zentralheiligtum der hellenistischen Zeit interpretieren.[ 25 ] Wenn es auch zweifellos "Synkretisten" und "Schismatiker" unter den Samaritanern gegeben hat, so ist die "Vermischung" paganer und biblischer Vorstellungen jedoch kein genereller Zug samaritanischer Religion, im Gegenteil! Differenzierung tut Not, denn nicht jeder Samarier ist zugleich ein Samaritaner. Zudem gibt es nach den Grabungen Magens auf der Akropolis des Garizim eine weitaus bessere, weil konsistentere Alternative für das samaritanische Zentralheiligtum als den Tempel auf Tell er-Ras. Damit ist die alte Theorie überholt.
All dies verdeutlicht meines Erachtens zur Genüge, dass Texten für eine "Archäologie der Samaritaner" in neutestamentlicher Zeit nicht die Rolle zukommen kann, die sie in der Praxis oft spielen.
These 2 lautet daher:
Textinterpretation und Archäologie sind gleichwertig, beide haben ihre eigenen Gesetze (und Grenzen!) und bedürfen eigener Aufmerksamkeit. Eine zu schnelle Kombination von Textbefund und Grabungsbefund ist nicht zulässig. Insbesondere ist davor zu warnen, Texte zum Ausgangspunkt der Interpretation archäologischer Befunde zu machen.
Mit welchen Problemen das Garizimkriterium belastet ist, dürfte hinlänglich deutlich geworden sein. Doch ist es nicht unser einziges. In der Forschung werden zwei weitere Kriterien für eine mögliche samaritanische Identität bestimmter Fundstellen genannt, die eher aus dem Bereich der historischen Geographie stammen. Auch sie gilt es kurz zu prüfen.
Zahlreiche samaritanische Texte, vor allem Chroniken, nenne eine beträchtliche Anzahl von Orten mit samaritanischer Bevölkerung, doch ist der Wert dieser Angaben nur schwer zu ermessen. Zum einen liegt das an mannigfachen textkritischen und traditionsgeschichtlichen Unsicherheiten, mit denen die Interpretation samaritanischer Chroniken noch immer belastet ist. So ist angesichts der weitgehend unbekannten Entstehungsgeschichte der Chroniken in den allermeisten Fällen nur unter Hinzuziehung anderer Quellen in Erfahrung zu bringen, für welche Zeit die jeweiligen Angaben zutreffen könnten. Ferner sind die betreffenden Passagen oft derart knapp gehalten, dass kaum etwas über die Größe oder genaue Lage der erwähnten Ortschaft in wünschenswerter Deutlichkeit ersichtlich wird. Vor allem bei Ortsnamen aus pentateuchischer Tradition ist zu überprüfen, ob deren Nennung als samaritanischer Ort nicht eher den samaritanischen Anspruch auf den Ort widerspiegelt als tatsächliche Präsenz.[ 26 ] Hinzu kommt die generelle Aufgabe, in der Literatur erwähnte Ortsnamen mit vorhandenen Ortslagen zu verknüpfen. Auch dies ist in vielen Fällen nur mit großer Unsicherheit belastet, da oft keine erkennbare Namenskontinuität besteht.
Zuweilen wird aus der Tatsache samaritanischer Präsenz an einem bestimmten Ort gefolgert, dass auch Reste früherer Siedlungsphasen als samaritanisch anzusprechen seien. Dieses "Argument der Kontinuität nach hinten" ist zwar nicht prinzipiell abzulehnen,[ 27 ] seine Valenz muss aber in jedem Fall unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Grundsätze am vorhandenen archäologischen Material unvoreingenommen geprüft werden. Ein genereller Rückschluss ist freilich nicht zulässig, da er die Möglichkeit von Bevölkerungsverschiebungen systematisch außer Acht lässt. Doch ist schlichtweg nicht einsichtig, dass der Erste und Zweite Aufstand gegen Rom, die forcierte Romanisierungspolitik seit der Wende zum 3. Jahrhundert nach und die Aufstände der Samaritaner in byzantinischer Zeit (484 und 529) an der Siedlungsgeschichte der Region so spurlos vorbeigegangen sind, dass man eine generelle Kontinuität von Religionen und Populationen voraussetzen könnte. Alles, was wir an (zugegebenermaßen spärlichen) Anhaltspunkten besitzen, deutet in die entgegengesetzte Richtung: nach dem ersten Aufstand wird Neapolis an der Stelle einer Siedlung mit semitischem Namen (!) als römische Veteranenkolonie gegründet, die Severer fördern Sebaste und Neapolis massiv, häufige Zerstörungshorizonte in ländlichen Fundorten des 5. Jahrhundert nach zeigen die Auswirkungen der samaritanischen Auseinandersetzungen mit Byzanz.[ 28 ] Auch früher wird es Siedlungs- und Bevölkerungsveränderungen gegeben haben: der Eroberungsfeldzug der Hasmonäer hat in Tell Balata, auf dem Garizim und in Samaria deutliche Spuren hinterlassen (waren die Zerstörungen mit dem Zuzug jüdischer Siedler verbunden?), die Gründung der Stadt Samaria/Sebaste durch Herodes als po/lij treuer Kriegsveteranen mag das ihre zur ethnischen Vielfalt beigetragen haben. Angesichts der geringen geographischen Ausdehnung sind die Eingriffe durchaus beträchtlich und machen Samarien vielleicht zu der am meisten von ethnischen Veränderungen betroffenen Region Zentralpalästinas. Nur wenige Fundstellen freilich sind überhaupt so gründlich ergraben und publiziert, dass man hinreichend präzise Aussagen machen kann. Doch auch diese zeigen, wie etwa im Falle von el-Hirbe, wo man nahe einer wohl samaritanischen Synagoge des 5. Jahrhundert nach die Reste eines paganen (?) römischen Landgutes des 2./3. Jahrhundert nach gefunden hat, dass man mit dem Argument der Siedlungskontinuität äußerst vorsichtig umgehen muss, falls man es nicht besser von vornherein als untauglich fallen lässt.
Welche samaritanischen Spuren aus unmittelbar neutestamentlicher Zeit, dem hier gewählten zeitlichen Rahmen, bleiben angesichts der obigen Überlegungen übrig? Abgesehen von den zahlreichen Objekten und Befunden aus byzantinischer Zeit, die aufgrund ihrer späten Zeitstellung hier außer Acht bleiben müssen, sind folgende Funde und Befunde zu nennen:
Großflächige Grabungen auf dem Hauptgipfel des Garizim (nicht zu verwechseln mit Tell er-Ras, dem nördlich davon gelegenen Vorgipfel mit seinem paganen Heiligtum) unter der Leitung von Yitzhaq Magen förderten zum Teil hervorragend erhaltene Reste einer ummauerten Wohnstadt mit einer nochmals stark befestigten Akropolis zutage. Die Akropolis bestand neben den immensen Mauern mit Kasematten, Räumen und Toranlagen im Wesentlichen aus einer gepflasterten Piazza ("sacred precinct"). Angesichts der bisher publizierten Befunde kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Piazza um das ehemalige samaritanische Heiligtum handelt, das wahrscheinlich seit 200v. bis zur Zerstörung durch Johannes Hyrcanus um 111/110v. bestand. Interessant ist, dass Reste eines eigentlichen Tempelgebäudes (etwa nach der Art wie im zeitgenössischen Jerusalem) zumindest bisher noch nicht veröffentlicht worden sind. Ein solcher Tempel wäre für die Ausübung des Kults der Samaritaner auch nicht notwendig, da er im Pentateuch, dem einzigen von den Samaritanern als Heilige Schrift anerkannten Teil der Hebräischen Bibel, nicht vorgesehen ist. Dennoch gibt es zahlreiche Hinweise auf kultische Tätigkeit inmitten des "sacred precinct". Große Mengen von zum Teil verbrannten Schaf- bzw. Ziegenknochen werden vom Ausgräber als Überbleibsel von Passahfeiern angesprochen.[ 30 ] Von besonderer religionsgeschichtlicher Bedeutung sind mehrere Dutzend in althebräischer, aramäischer ("Quadratschrift") und (in geringerem Maße) griechischer Schrift verfasste Inschrifttafeln, die zwar durchweg sehr stark fragmentiert sind, aber dennoch Teile von Eigennamen (Pinhas, Sohn des NN) und kultischen Titeln (Kohen, Kohen Gadol), sowie des Tetragramms erkennen lassen. Vermutlich war zumindest ein Teil der Inschriften auf der Innenseite der Umfassungsmauer des "sacred precinct" angebracht, so dass die Tafeln von der sich zum Opfer auf der Piazza versammelten Gemeinde gelesen werden konnten. Der Inhalt der Inschriften ist aufgrund der starken Fragmentierung nicht mehr zuverlässig rekonstruierbar, doch legen sowohl der Anbringungsort als auch manche in Teilen noch deutbare Wendungen nahe, dass Weihungen bestimmter Dinge und Gelübde bzw. Danksagungen von Samaritanern im Zentrum standen. Ähnliches kennen wir auch aus Jerusalem.[ 31 ]
Die religions- und kulturgeschichtliche Bedeutung der Grabungen auf dem Hauptgipfel des Garizim kann gar nicht überschätzt werden. Sie erlauben nicht nur einen einzigartigen Einblick in die Geschichte und Kultausübung der Samaritaner in hellenistischer Zeit, sondern erbringen zugleich das bisher größte zusammenhängende Corpus samaritanischer Inschriften überhaupt. Die Auswertung der Kleinfunde, die noch nicht einmal im Ansatz begonnen hat, verspricht zusätzliche Aufschlüsse über Wirtschaftsweise, Handelsbeziehungen und kulturelle Einflüsse der hellenistischen Umwelt auf die Lebensweise der damaligen Samaritaner. Gerade die Analyse der Kleinfunde kann nämlich (wie oben dargelegt) davor bewahren, die Entdeckungen auf dem Garizim von ihrem geographischen und kulturellen Kontext zu lösen, so spektakulär sie auch sein mögen.
Bezeichnenderweise stammen die beiden anderen frühen archäologischen Zeugnisse samaritanischer Religion von außerhalb Palästinas und stellen daher ein wichtiges Indiz für die Existenz einer samaritanischen Diaspora bereits in hellenistischer Zeit dar. Der Fundort Delos war ein zentraler Handelsknotenpunkt im östlichen Mittelmeer und zog Menschen aus zahlreichen Regionen der antiken Welt an. Im Jahre 1979/80 wurden etwa 90m nördlich der jüdischen Synagoge zwei griechischsprachige Inschriften gefunden, die von Philippe Bruneau aus paläographischen Gründen in die Zeit zwischen 250-175v. (Inschrift 2) und 150-50v. (Inschrift 1) datiert werden. Ihr Text lautet:
Inschrift 1:
[Oi( e)n Dh/lw|]
ISRAHLITAI OI APARXOMENOI EIS IERON AGION AR-
GARIZEIN ETIMHSANvac. MENIPPON ARTEMIDWROU HRA-
KLEION AUTON KAI TOUS EGGONOUS AUTOU KATASKEU-
ASANTA KAI ANAQENTA EK TWN IDIWN EPI PROSEUXH TOU
QE[ou=]TON [-----------------------------------------------------------------peri/b-]
OLON KAI TO[----------- kai\ e)stefa/nwsan XRUSWI STE[fa/-]
nw| kai\[---------------------------------------------------]
KA ---
T---
Übersetzung:
[Die] Israeliten [auf Delos], die Opfer darbringen zum heiligen, geweihten Argarizin, ehrten vac. Menippos Sohn des Artemidoros aus Heraklion, ihn und seine Nachkommen, der hergerichtet und geweiht hat aus eigenen Mitteln für die proseuche Got[tes] den [... , die Mauer und das ... und bekränzten ihn] mit einem goldenen Kr[an]z und [...]
Inschrift 2:
OI EN DHLWI ISRAELEITAI OI A-
PARXOMENOI EIS IERON ARGA-
RIZEIN STEFANOUSIN XRUSWI
STEFANWI SARAPIWNA IASO-
NOS KNWSION EUERGESIAS
ENEKEN THS EIS EAUTOUS
Übersetzung:
Die Israeliten auf Delos, die Opfer darbringen zum heiligen Argarizin, bekränzen mit einem goldenen Kranz Serapion Sohn des Jason aus Knossos wegen der ihnen erwiesenen Wohltat.
Nach L. Michael White, der die Texte zuletzt einer gründlichen Untersuchung unterzogen hat, sind diese Inschriften Zeugnisse einer "well established Samaritan community which is proximate in date and location to the other community of Jews [...] on the island"[ 33 ]. Sehr wahrscheinlich bezieht sich Inschrift 1 auf die Errichtung eines Synagogengebäudes (der Begriff proseuxh/ kann durchaus so übersetzt werden) mitsamt, soweit man die fragmentarischen Rest der Inschrift zutreffend rekonstruieren kann, ihrer Bestandteile. Dieses Gebäude wurde jedoch noch nicht gefunden, der Fundkontext stellt also nicht den ursprünglichen Baukontext dar.
Auf einige interessante Sachverhalte sei kurz hingewiesen. Dass die Namen der Geehrten eindeutig griechischen Ursprungs und zu allem Überfluss noch heidnische Götter in sich tragen, muss nicht bedeuten, dass Artemidoros und Serapion keine Samaritaner sein können.[ 34 ] Die Selbstbezeichnung (Samarei=j o.ä.)[ 35 ] zeigt einerseits, dass sich die dortigen Samaritaner nicht als religiöse "Sondergruppe", sondern als Teil des biblischen Gottesvolkes wahrgenommen haben. Der Begriff "Israelit" ist ja von Hause aus nicht etwa auf die Samaritaner selbst festgelegt, sondern wurde genausogut auf Juden angewandt (vgl. Joh 1,47 über den Juden Natanael: a)lhqw=j )Israhli/thj). Die Formulierung legt ferner nahe, dass die Samaritaner auf der Insel einen offiziellen Status als rechtlich geschützte ethnische Gruppe (Handelskolonie?) genossen, ganz analog zu den Juden, die sich im berühmten Delos-Edikt Caesars (bei Josephus, Antiquitates 14,233) als o(i )Ioudai=oi e)n Dh/lw| bezeichneten (nicht als "Israeliten"!). Die samaritanischen "Israeliten" zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Ehrerbietungen an das wahre, allein von Gott eingesetzte Heiligtum auf dem Berg Garizim (ARGARIZIN ist lediglich transskribiert aus Nyzyrg und rh) richten. Dies ist das einzige Merkmal, das diese auf den Inschriften erwähnte Gruppe von Juden unterscheidet und daher zur Eigenbezeichnung dienen kann. Das griechische Verb a)pa/rxeshqai deckt ein weites Bedeutungsspektrum ab und kann jegliche Erweise der schuldigen Ehrerbietung bezeichnen vom Entrichten von Opfern im Kontext einer Reise zum Heiligtum auf dem Garizim bis hin zum Übersenden von Gaben oder Tributen durch die Person selbst oder auch durch Dritte.
1881 wurde im gepflasterten Boden der mittelalterlichen Kirche von Emmaus (Amwas) ein marmornes ionisches Kapitell mit einer zweiteiligen Inschrift gefunden. Die ersten beiden Zeilen sind in althebräischer Schrift verfasst und lauten:
m# krb | Gesegnet sei sein |
Mlw(l w | Name in Ewigkeit |
Darunter steht in griechischer Schrift
EIS QEOS | Ein (einziger) Gott |
Nach einiger anfänglicher Unsicherheit über die Zuweisung der Inschrift setzte sich die Meinung durch, nach der das Stück samaritanischen Ursprungs sei und zu einer samaritanischen Synagoge gehöre. Jedoch ist zu beachten, dass das Stück in Zweitverwendung entdeckt wurde und daher nicht aus seinem ursprünglichen archäologischen Kontext stammt. Jegliche Überlegungen hinsichtlich des primären baulichen Kontextes sind daher mit großer Unsicherheit belastet. Zweifellos hat der erste Teil der Inschrift zahlreiche Analogien in der samaritanischen Liturgie (deren Entstehungszeit wir nicht genau kennen, oft wird sie in römisch-byzantinische Zeit datiert), doch ist auch eine jüdische Herkunft nicht per se ausgeschlossen, da die althebräische Schrift in ntl. Zeit nicht ausschließlich von Samaritanern verwendet wurde und der Inhalt der Inschrift alttestamentlich/gesamtjüdischer Tradition entstammt.[ 37 ]
Noch unspezifischer ist der zweite, in griechischer Sprache verfasste Teil, der sich in samaritanischem, christlichem, jüdischem und auch paganem Milieu nachweisen lässt und damit nichts zur Frage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe beiträgt.[ 38 ] Freilich ist angesichts des ersten Teils der Inschrift eine Zuweisung des Kapitells zu einer der in der Wirkungsgeschichte der Hebräischen Bibel stehenden Gemeinschaften (jüdisch, samaritanisch oder christlich) eher wahrscheinlich als pagane Entstehung.
Doch auch die Datierung des Fundes ins 1. Jahrhundert vor bzw. nach Christus ist ebenso unsicher. Entgegen der Meinung der Bearbeiter Hüttenmeister und Reeg ist die Schriftart allein kein ausreichendes Indiz für eine Entstehung des Stücks im 1. Jahrhundert vor bzw. nach Christus, da die althebräische Schrift zu dieser Zeit noch zu großen Schwankungen unterliegt. Auch deutet die Form des Kapitells eher in römische Zeit, ein marmornes Kapitell in einer derart frühen samaritanischen Synagoge wäre in der Tat singulär. Somit ist eine samaritanische Herkunft der Inschrift auf dem Kapitell zwar durchaus möglich, kaum aber das frühe Entstehungsdatum.
Dies ist also alles, was sich derzeit mit mehr oder minder begründeter Zuversicht den Samaritanern in ntl. Zeit zuweisen lässt. In unsere Sammlung früher archäologischer Zeugnisse der Samaritaner gehören also weder die spätperserzeitlichen Münzen aus Samarien,[ 39 ] noch die aramäischen Papyri aus Elephantine, die nach Samaria gerichtet sind bzw. die Stadt erwähnen,[ 40 ] noch die Daliyeh-Papyri aus dem 4. Jahrhundert vor Christus.[ 41 ] Alle diese Zeugnisse sind bestenfalls für die Vorgeschichte der Samaritaner relevant und können nicht für die religiösen Anschauungen der Samaritaner in Anspruch genommen werden.
Ob die etwa 140 als "Samaritan sarcophagi" bekannten Kalksteinsarkophage aus der Gegend von Nablus (oder auch nur ein Teil davon) tatsächlich als samaritanisch gelten können, ist umstritten. Dagegen spricht, dass keinerlei typologische Merkmale eine samaritanische Herkunft zwingend erforderlich machen würde, dafür, dass auf manchen biblische Eigennamen eingeritzt sind und Elemente heidnischer Ikonographie weitgehend fehlen.[ 42 ] Vermutlich handelt es sich aber doch um lediglich eine besondere lokale Formentradition ohne Zugehörigkeit zu einer speziellen religiösen Gruppe. Dieser Sachverhalt zeigt, dass es nicht nur schwierig sein kann, Jüdisches von Samaritanischem zu unterscheiden, sondern dass es nach einer gewissen Periode der Romanisierung an bestimmten Orten u.U. auch problematisch wird, Objekte Samaritanern oder Angehörigen der (vermutlich zum Teil auch semitischen) paganen Bevölkerung Palästinas mit gewisser Wahrscheinlichkeit zuzuweisen (vgl. das oben über die Münzen und Lampen Gesagte). Die Sarkophage könnten somit ein gutes Beispiel dafür sein, dass bereits im 2./3. Jahrhundert nach Christus spezialisierte Handwerksbetriebe offenbar Angehörige verschiedener Gruppen bedienten, so dass man fragen kann, ob bestimmte Eigenheiten nicht eher regionale als religiös-gruppenspezifische Besonderheiten darstellen.[ 43 ]
Diese Liste ist zugegebenermaßen nicht lang. Doch bedeutet das nicht, dass man deswegen mit geringer samaritanischer Präsenz in neutestamentlicher Zeit zu rechnen hat. Dies wäre ein methodisch unzulässiger Kurzschluss, wie der Vergleich mit einem verwandten Sachverhalt verdeutlichen mag.
Dass es sich bei den bisher vorgestellten methodischen Schwierigkeiten nicht um ein spezifisches Problem der Samaritanerforschung handelt, wird klar, wenn man sich die Frage der Identifizierbarkeit frühchristlicher Objekte und Befunde vergegenwärtigt. Auch im frühesten Christentum vollzieht sich die Etablierung einer zumindest in einzelnen prominenten Elementen wahrnehmbaren materiellen Kultur spürbar spät und bleibt dann nur auf bestimmte mit der Religion zusammenhängende Bereiche beschränkt. Offensichtlich sind diese Objekte aber nur der Ausdruck einer bereits vorher längere Zeit im Gang befindlichen und im Laufe der Zeit wachsenden Eigenentwicklung des Christentums im Kontext jüdischer und heidnischer Umwelt. Auch hier schlugen sich wie im Fall des Samaritanismus der ntl. Zeit religiöse Unterschiede nicht sofort und direkt in archäologisch feststellbaren Befunden nieder.
Welchen Stellenwert haben die Unterschiede? Der Blick auf ein zentrales Motiv mag hier hilfreich sein. Obwohl das frühe Christentum religiös und literarisch als Gruppe wachsender Eigenständigkeit (freilich innerhalb gewisser mit der Umwelt gemeinsamer Parameter) bereits seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrhundert nach wahrnehmbar ist, existieren keinerlei dieser Gruppe eindeutig zuweisbare archäologische Objekte aus der Zeit vor ca. 200 nach Christus.[ 44 ] Alle gegenteiligen Versuche haben sich als undurchführbar erwiesen ("Herculaneum-Kreuz"; "Judenchristliche Sarkophage" in Jerusalem)[ 45 ]. Besonders vielsagend ist dies im Hinblick auf das theologisch zentrale und daher eindeutig christliche Motiv des Kreuzes als Erinnerungssymbol für das Ereignis und die Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu. Hier begegnen erste eindeutige archäologische Belege erst in der Zeit nach der konstantinischen Wende. Sicherlich waren eine Reihe unterschiedlichster Gründe für diese Zurückhaltung verantwortlich (u.a. die Abscheu gegenüber der Kreuzesstrafe in der gesamten Antike), denen wir hier im Einzelnen nicht nachgehen müssen, doch hielt dies Christen nicht davon ab, etwa in der Literatur die Kreuzigung Jesu intensiv zu behandeln. Doch bedeutet dies nicht, dass die zentrale Heilsbedeutung Jesu nicht auch auf anderem Wege künstlerisch ausgedrückt worden ist, wie etwa in den berühmten Darstellungen Jesu als Wundertäter oder Lehrer auf Sarkophagen oder Katakombenmalereien des 3. Jahrhunderts. Doch auch diese Darstellungen bringen uns nicht in die Zeit vor etwa 200 zurück. Die "Lücke" bleibt.
Während man das vergleichsweise späte Entstehen frühchristlicher Kunst mit theologischen Vorbehalten oder dem Fehlen sozialgeschichtlicher und politischer Voraussetzungen erklären kann, greifen solche Modelle nicht mehr im Bereich alltäglicher Lebensbewältigung wie der Notwendigkeit, eine Form der Bestattung Verstorbener zu finden oder den Raum zu gestalten, in dem man sich zum Gemeinschaftsmahl trifft. Auch dies setzte voraus, "künstlerisch" und handwerklich gestaltend tätig zu werden. Doch auch in diesem Bereich existieren keine Relikte, die einwandfrei christliche Merkmale tragen. Kaum denkbar ist, dass sich (wie zuweilen zu lesen ist) Christen angesichts glühender Naherwartung während des 1. Jahrhunderts (noch) nicht um die Gestaltung der Lebenswelt gekümmert hätten und deswegen keine als christlich identifizierbaren Objekte existieren können. Wer sich so weit in der "Welt" einzurichten bereit ist, dass er sich um die Gestaltung der Gemeindeorganisation ("Ämterfrage") sorgt, dürfte sich nicht den materiellen Dimensionen des Lebens entzogen haben, hat also ebenso Schmuck ausgewählt und getragen, als Töpfer Lampen oder Geschirr hergestellt, als Hauseigentümer seine Zimmer verziert und als Weber Muster entworfen und Stoffe produziert. Die Frage kann also nicht sein, ob Christen an der materiellen Kultur partizipiert haben, sondern nur, ob wir derartige Objekte des alltäglichen Lebens als zu einer bestimmten Zeit von Christen verwendet erkennen können. Beides ist, um nicht zu unhaltbaren Ansichten zu kommen, methodisch sauber auseinanderzuhalten!
Voraussetzung für eine gruppenspezifische Identifizierbarkeit eines Reliktes durch archäologische Methoden ist also eine gewisse "Ver-Objektivierung" religiöser Inhalte. Dies ist offensichtlich nicht schon mit dem ersten Auftreten der devianten Gruppe gegeben, sondern stellt einen eigenen Schritt in der Entwicklung dar und führt zur grundsätzlicheren Frage, ab welchem Zeitpunkt deviante Gruppen im engeren Sinn "kulturbildend" werden und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die Beantwortung dieser Frage sprengt freilich den hier gesteckten Rahmen, es genügt festzuhalten, dass sich die wachsende theologische und soziale Eigenständigkeit frühchristlicher Gemeinden erst nach etwa 150 Jahren Ausbreitung und Formung in auch archäologisch greifbaren Dingen widergespiegelt hat. Der Vergleich zwischen frühem Christentum und Samaritanern legt somit nahe, dass sich religiöse "Eigenständigkeit" offensichtlich nicht in erster Linie durch künstlerische Originalität (spezifische Objekte etc.) äußert, sondern vielleicht zunächst in der Art und Weise zum Tragen kommt, welche praktische Funktion und welche inhaltliche Bedeutung man vorhandenen Objekten im Rahmen der sich neu entwickelnden und sich von Gegebenem entfernenden symbolischen Welt zu geben bereit ist. Da dies offensichtlich über eine lange Zeit geschehen kann, ohne dass die betreffenden Dinge spezifische Gestaltungsmerkmale erhalten (etwa Kreuze auf Lampen), ist die Stufe der Aneignung durch Einordnung (oder Ablehnung) für uns archäologisch nur äußerst schwierig greifbar. Denn wie anders könnte ich feststellen, dass etwa eine Diskuslampe des 2. Jahrhunderts einem christlichen Kontext entstammt (z.B. bei einem Gottesdienst angezündet wurde), wenn ich nicht zusammen mit ihr eindeutig als christlich identifizierbare Objekte gefunden habe?
Sieht man sich konkrete Fundkomplexe an, dann zeigt sich, dass in der Regel nur wenige deutlich identifizierbare Objekte im Zusammenhang mit einer in der Regel weit überwiegenden Anzahl nicht gruppenspezifischer Gegenstände gefunden werden. Dies beweist, dass die betreffende Gruppe (meist zu einem weit dominierenden Teil) an der materiellen Kultur der Umwelt partizipiert hat (und das auch tut, wenn wir keine gruppenspezifischen Relikte gefunden haben und wir daher das Fundrepertoire nicht einer spezifischen Gruppe zuweisen können). So bedienen sich z.B. frühe Christen selbstverständlich auch nach dem Aufkommen gruppenspezifischer Elemente weiterhin des ikonographischen und materiellen Repertoires der jüdischen und paganen Umwelt. Genau dies war zweifellos auch bei Samaritanern der Fall. Ähnlich wie bei der Diskussion der Valenz des sog. "Kriteriums der Unableitbarkeit" in der Jesusforschung ist also auch im Bereich der Archäologie vor den bekannten methodischen Engführungen zu warnen!
Aus dem Gesagten ergibt sich die Konsequenz: Als einer bestimmten Teilgruppe eindeutig zugehörig kann ein Objekt nur dann gelten, wenn es sich vom Formen- oder Objektrepertoire anderer Gruppen unterscheidet (also wenn die Diskuslampe ein Kreuz trägt). Doch ist dies allein nicht genug. Das ein Objekt formal von anderen unterscheidende Merkmal muss, um überhaupt als für eine bestimmte Gruppe repräsentativ gelten zu können, sich zugleich innerhalb dessen, was wir aus Texten über das besondere geistige Profil der infragekommenden Gruppe wissen, einordnen und erklären lassen (so muss z.B. das Kreuzeszeichen als tragendes Symbol allein der frühen Christen erwiesen werden). Alles aber, was entweder dem formalen "Kriterium der Unterschiedlichkeit" oder dem inhaltlichen "Kriterium der Kohärenz" (oder beidem) nicht genügt, kann nicht als Relikt einer bestimmten Gruppe interpretiert, sondern muss als der übergreifenden Gesamtgruppe zugehörig betrachtet werden. Der letzte Punkt freilich ist entscheidend: er bindet alle spezifischen Gruppen, ob frühe Christen oder Samaritaner, ein in den Kontext des antiken Judentums und zeigt, dass ihre Eigenartigkeit in der Abwandlung eines oder mehrerer innerhalb dieses weiten jüdischen Kontextes vorhandenen Motive besteht.
Oben haben wir gesagt: Erst, wenn wir wissen, welcher Gruppe wir mit welchen Gründen welche Funde zuweisen können, können wir daran gehen, eine Topographie der Religionen Samariens zu erstellen und das Zusammenleben der Gruppen unabhängig von den oft ideologisch überfärbten Texten nachzuzeichnen. Tatsache ist: Die Samaritaner sind trotz aller theologischen Differenzen zuallererst als eine Gruppe innerhalb der "many Judaisms" (Jacob Neusner) der Zeit des 2. Tempels zu verstehen. Insofern wird die Erforschung der frühen samaritanischen Kunst noch stärker zum Teilproblem der Erforschung der Kunst, Architektur und Kultur des verschiedenen Gruppen des Judentums des 2. Tempels. Voraussetzung für die Bearbeitung dieser Problematik wäre freilich, dass es tatsächlich Befunde gibt, die sich eindeutig und ausschließlich einer bestimmten Gruppe zuweisen lassen. Dies ist jedoch nicht in ausreichender Deutlichkeit der Fall. Ich habe den Eindruck, dass hier oft mehr behauptet als wirklich gewusst wird: Sind etwa Ganzkörperbestattungen mit Nord-Süd-Ausrichtung wirklich ein Identifikationsmerkmal für "Qumranessener" oder können Ossuare bzw. Steingefäße tatsächlich als "Leitfossil" für Pharisäer dienen?[ 46 ] Was ist mit den übrigen Funden wie Miqwaot oder der Darstellung der Menora? Wo ist die Grenze zwischen gruppenspezifischen Relikten und dem, was man dem Motivschatz zuweisen könnte, der allen Juden gemeinsam ist?[ 47 ] Welche Rolle spielen bestimmte regionale Tendenzen und Traditionen in der materiellen Kultur Palästinas? Lässt sich nicht manches besser als regionale denn als religiöse Besonderheit einer bestimmten Gruppe erklären?[ 48 ]
These 3
Bis zum Beweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass halachische Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen nicht so groß waren, dass sie die allgemeine materielle Kultur spürbar beeinflusst hätten.[ 49 ]
Halten wir fest:
Die Identifizierbarkeit samaritanischer Objekte nimmt im erst im Lauf der Zeit zu, erreicht ihren Höhepunkt im 5./6. Jahrhundert[ 50 ] und geht Hand in Hand mit wachsender theologischer Eigenständigkeit. In ntl. Zeit ist die Erkennbarkeit samaritanischer Relikte weitaus geringer. Ein auch für die Frühzeit taugliches Kriterium der Identifikation samaritanischer Funde und Befunde ist die Erwähnung des Garizim, doch ist auch dieses Kriterium kritisch einzusetzen. Wo keine eindeutigen Merkmale vorliegen (und dies wird in ntl. Zeit an den weitaus meisten Orten der Fall sein), aufgrund der oben dargelegten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem textorientierten oder einem rein der historischen Geographie verpflichteten Ansatz auf einen Entscheid verzichtet werden. Somit ist der "Archäologie der Regionen" (derzeit noch?) einer "Archäologie der Gruppen" der Vorrang zu geben. Denn letztlich ist Leah DiSegni der Tendenz nach Recht zu geben, wenn sie schreibt: "we have as yet no clear-cut criteria to define what constitutes Samaritan culture"[ 51 ].
Die zu erstellende "Topographie religiöser Gruppen" wird also vermutlich mehr weiße Flecken aufweisen als wünschenswert ist. Dafür wird aber unser Bild des Judentums des ausgehenden Zweiten Tempels umso bunter.
Fortsetzung von Gedanken, die ich anlässlich von Vorträgen 1998 an der Wake Forest University und der Duke University formuliert habe. Ich danke Prof. Dr. Eric Meyers, Prof. Dr. Kenneth Hoglund, Dr. Beth LaRocca-Pitts und Dr. Mark Chancey für vielfältige Hilfe. Wertvolle Hinweise verdanke ich auch Prof. Dr. Wolfgang Zwickel.
[ 2 ]Dazu z.B. die Berichte über Surveys von Kochavi (1972); Campbell (1991); Dar (1986) oder in NEAEHL. Weitere Literatur zu Samaria/Sebaste, dem Garizim, Neapolis und Sichem bei Zangenberg (1998) 23-55.
[ 3 ]Dies kann hier nicht nachgeholt werden. Ich hoffe, zumindest einen Teil der Arbeit im Rahmen der Bearbeitung des Bandes 3: Der Norden des Handbuchs Orte und Landschaften der Bibel zu leisten.
[ 4 ]Die einschlägigen Texte sind greifbar in Zangenberg (1994), dort auch weitere Literatur zu den Einzeltexten. Grundlegend ist die Studien von Dexinger (1992). Wichtig zum Sprachgebrauch unserer ausführlichsten Quelle Josephus ist Egger (1986). Das Heidentum Palästinas bedarf generell einer zusammenfassenden Darstellung, dies ist ein dringendes desideratum. Breytenbach (1997) ist ein wichtiger Beitrag zu paganer Präsenz auf dem Garizim, lässt aber leider archäologische Sachverhalte völlig außer Betracht.
[ 5 ]Die Frage, ob man bei den in Samarien ansässigen Gruppen von Ethnien oder Religionsgruppen sprechen soll, kann hier nicht weiter verfolgt werden. Die neuere Forschung ist sich zumindest im Hinblick auf die Samaritaner weitgehend einig, nicht von Ethnie zu sprechen (im Sinne einer durch Herkunft bestimmten Identität), sondern die religiöse Komponente bei der Bestimmung des Gruppenprofils an erste Stelle zu setzen, doch ist der antike Sprachgebrauch diffus vgl. Coggins (1999); Egger (1986). Zur Problematik vgl. auch Saldarini (1998) 127-133.
[ 6 ]Was die Zukunft bringen könnte, zeigen z.B. die Sammelbände mit Beiträgen von Archäologen, Text- und Kulturwissenschaftlern über die Nachbarregion Galiläa Levine (1992) und Edwards / McCollough (1997).
[ 7 ]Dazu ausführlich Zangenberg (1999).
[ 8 ]Dabei ist das hellenistische Sichem ein besonderes Problem wegen seiner besonderen Bedeutung für die Entstehung der Samaritaner.
[ 9 ]Insofern sind auch die durchweg niedrigeren Zahlen hellenistisch-frührömischer Siedlungen im Vergleich zu in byzantinischer Zeit bewohnten Ortslagen nicht überzubewerten. Vgl. das ähnliche Bild, das sich den Pionieren der Galiläaarchäologie in den 70er Jahren darbot, siehe Groh (1997) 32-34.
[ 10 ]Ich verstehe im Folgenden darunter die Zeitspanne von den letzten beiden Jahrhunderte vor bis zum Ende der ersten beiden Jahrhunderte nach Christi Geburt und gebrauche den Terminus als in der ntl. Wissenschaft gebräuchliche Konvention mit aller Vorsicht und im Bewusstsein darum, dass die das NT tragenden Gruppen während dieser Zeit gerade nicht in einem solchen Maße "kulturbildend" gewesen sind, dass diesem Begriff irgendein sachlicher Wert zukommen würde. Es handelt sich also nicht um eine für materielle Kultur oder archäologische Methodik "canonical time", wie Groh (1997) 32 zu Recht betont.
[ 11 ]Dass dies nicht einmal beim Garizim zutrifft, habe ich zu zeigen versucht in Zangenberg (1998) 35-47.
[ 12 ]Vgl. den leider nur allzu berechtigten Stoßseufzer von Peter Pilhofer und Thomas Witulski in Pilhofer / Witulski (1998) 244 Anm. 23. Die atl. Forschung ist hier, soweit ich das beurteilen kann, sowohl methodisch als auch inhaltlich deutlich weiter.
[ 13 ]Derzeit scheinen sich mir weite Teile der Qumranforschung (insbesondere die zu den angeblich "essenischen" Gräbern) in einem derartigen Dilemma zu befinden, vgl. Zangenberg (1998); Zangenberg (1999a); Zangenberg (1999b). Auch die These angeblich essenischer Präsenz auf dem Zion bedarf der Überprüfung. Jedoch hat die Zusammenarbeit von Text- und Naturwissenschaftlern gerade in der Qumranforschung in allerjüngster Zeit faszinierende Ergebnisse zu Tage gefördert, vgl. die im Erscheinen begriffenen Beiträge von O. Röhrer-Ertl und F. Rohrhirsch in Revue Biblique 106 (1999). Herzlich bedanken möchte ich mich bei PD Dr. Ferdinand Rohrhirsch und Dr. Gabriele Hagenow für die stets fruchtbare Konversation zur Methodik der Qumranforschung.
[ 14 ]Daher ist es äußerst problematisch, bereits in ntl. Zeit von einem "samaritanischen Schisma" zu sprechen, dazu vgl. Purvis (1981); Crown / Davey (1995) 133-155
[ 15 ]Vgl. etwa die rabbinischen Texte in Zangenberg (1994) 108-110; Josephus, Antiquitates 13,74-79 (Zangenberg (1994) 65). Auch im NT findet sich ein Niederschlag dieser Kontroverse (Joh 4,20), dazu Zangenberg (1998) 140-148.
[ 16 ]Zumindest insofern das angesichts der großen ergrabenen Fläche sicherlich sehr umfangreiche Material veröffentlicht ist. Von besonderem Interesse sind hier die Knochenfunde, deren Publikation man nur mit großer Spannung erwarten kann.
[ 17 ]Hier ist mit Stranger (1997) 43-47 wiederum zwischen privater und öffentlicher Sphäre zu unterscheiden.
[ 18 ]Vgl. den "byzantinischen Brief aus samaritanischem Milieu" in Zangenberg (1994) 311f und die stilisierte Abbildung des Garizim auf samaritanischen Lampen in Sussman (1978); Sussman (1983); Pummer (1995) 157-162.
[ 21 ]Gegen Talmon (1997), der m.E. nicht ausreichend geprüft hat, ob die Nennung des Garizim nicht einem jüdischen Text polemischer Natur entstammt (was sich, wie auch die samaritanische Herkunft, angesichts der Winzigkeit des Fragments nicht mehr klar entscheiden lässt) und ob die auffällige Schreibweise [my] zrgrh nicht einer allgemein verbreiteten, nicht spezifisch samaritanischen orthographischen Gepflogenheit folgt (getrennt jedoch in 3Q15 XII 4). Vielleicht müsste man angesichts dieses Papyrusfragmentes die Ausführungen von Pummer (1987) einer erneuten Überprüfung unterziehen, auf die sich Talmon (1997) bes. 225 beruft, statt diese zur Grundlage der Interpretation des Papyrusfragmentes von Masada zu machen. Pa/nta r(ei=!
[ 22 ]Diese Beobachtung ist in der Tat interessant, denn die Garizim-Abbildungen auf den unter paganer Autorität geschlagenen Münzen von Flavia Neapolis sind zweifelsfrei älter als alle Vignetten auf samaritanischen Lampen o.ä.! Haben sich Samaritaner diese Münzen zum Anlass genommen, den Garizim (zunächst) auf Werken ihrer Kleinkunst abzubilden? Unmöglich ist das nicht, da manche Münzen nicht nur den für Samaritaner wichtigen Garizimgipfel, sondern offensichtlich auch die religiös bedeutungslose, aber auf den Münzen abgebildete Porticus im Tal übernehmen. Dieser Thematik werde ich an anderer Stelle gesondert nachgehen.
[ 23 ]Leider trägt der Fundkontext der beiden Delos-Inschriften aus hellenistischer Zeit nichts zur Lösung dieser Frage bei. Zur Diskussion dieser besonders wichtigen epigraphischen Zeugnisse vgl. in diesem Beitrag "Zwei Inschriften aus Delos".
[ 24 ]Vgl. z.B. mSota 7,5 in Zangenberg (1994) 97.
[ 25 ]Dazu vgl. die Literatur und Diskussion der Forschung bei Zangenberg (1998) 37-42 und Zangenberg (1999).
[ 26 ]Eine Liste von in der Literatur erwähnten Orten wird vom Autor im Rahmen der Vorarbeiten zum Band 3: Der Norden des Werkes Orte und Landschaften der Bibel erstellt. Insbesondere wird es spannend zu sehen, wie sich die Ergebnisse der Auswertungen dieser Texte mit den Analyse der Surveyergebnisse ins Gespräch bringen lassen.
[ 27 ]Zu diesem Argument in der Galiläaforschung vgl. Groh (1997) 29.
[ 28 ]Dazu neulich Dar (1995) und kritisch DiSegni (1998).
[ 29 ]Dazu vgl. die vorläufige Publikation bei Magen / Naveh (1997) und die Diskussion bei Zangenberg (1998) 35-47 und ausführlich Zangenberg (1999).
[ 30 ]Knochen von Schafen und Ziegen sind typologisch nur in besonderen Fällen auseinanderzuhalten. Solange nicht mehr Einzelheiten über diese Knochendepots, insbesondere über deren stratigraphischen Kontext und deren paläozoologische Analyse veröffentlicht sind, müssen wir der Interpretation Magens folgen.
[ 31 ]Zu den Inschriften vom Garizim s. bisher nur Magen / Naveh (1997); das Fragment einer Weiheinschrift aus Jerusalem ist veröffentlicht bei Isaac (1983).
[ 32 ]Text nach White (1987) 141. Über die in Zangenberg (1994) 325f verzeichnete Literatur hinaus vgl. Rappaport (1995) 282f; Talmon (1997) 227f (mit Abbildungen).
[ 33 ]White (1987) 141-147 (142), ältere Literatur dort oder in Zangenberg (1994).
[ 34 ]Anders White, der von "pagan benefactors" spricht (White (1987) 142), dazu schon Zangenberg (1994) 325. Instruktiv ist auch hierzu der Vergleich mit der Weihinschrift aus Jerusalem Isaac (1983), die einen "Paris, Sohn des Akeson aus Rhodos" erwähnt. Isaac schreibt dazu: "He must have been a Jew or a sympathizer, but since his name and the language of the inscription are wholly Greek, only the benefaction as such indicates ties with Judaism" (90).
[ 35 ]Möglicherweise vermied man diesen Begriff, weil er auch die geographische Herkunft aus Samarien ohne religiöse Konnotationen bezeichnen konnte und daher vielleicht nicht als eindeutig genug empfunden wurde (dazu Egger (1986) 168-172). Bekannt war das Wort jedoch durchaus, wie der Name des Pra/uloj Samareu/j auf einer weiteren Inschrift aus Delos zeigt (White (1987) 144).
[ 36 ]Zangenberg (1994) 322 und der dort genannte Bericht bei Hüttenmeister / Reeg (1977).
[ 37 ]Dazu Zangenberg (1994) 186-188.
[ 38 ]Vgl. dazu jüngst wieder DiSegni (1998) 55.
[ 39 ]Meshorer (1991).
[ 40 ]Dazu vgl. Zangenberg (1994) 299-301.
[ 41 ]Dazu vgl. Zangenberg (1994) 297-299 und Coggins (1999) 67: "references of Samaria cannot be taken as indicator of Samaritanism". Die Siegelabdrücke sind hervorragend publiziert von Leith (1997).
[ 42 ]Dazu vgl. Zangenberg (1994) 319-321 und neuerdings DiSegni (1998) 54 Anm. 7. Eine eingehende Diskussion des Sachverhaltes muss hier unterbleiben.
[ 43 ]In byzantinischer Zeit ist dies bei Mosaikwerkstätten nachweislich der Fall.
[ 44 ]Abgesehen von Fragmenten ntl. Texte. Den Konsens der Christlichen Archäologie formuliert Effenberger (1986) 11: "Nach unserem heutigen Wissen, das auf archäologischen Zeugnissen und antiken Schriftquellen beruht, gab es vor dem 3. Jahrhundert keine christliche Kunst. Weder bestanden monumentale Kirchengebäude, noch wurden gemalte oder plastische Bildwerke christlichen Inhalts von Christen hergestellt und verwendet". Zu den vorkonstantinischen christlichen Relikten vgl. Synder (1985).
[ 45 ]Als einzige Ausnahme könnte man das sog. Petrus-Grab unter der Peterskirche in Rom ansehen, doch ist dessen christlicher Charakter allein durch die Wirkungsgeschichte gedeckt, nicht jedoch durch dessen Aussehen. Ich werde diese Frage im Zusammenhang meiner Habilitationsschrift zu Tod und Bestattung im Frühen Christentum erörtern.
[ 46 ]Vor allem in bezug auf den angeblich essenischen Friedhof von Qumran ist die Diskussion wieder in Bewegung geraten, dazu knapp Zangenberg (1998a); Zangenberg (1999a); Zangenberg (1999b) und die neuen Grabungen von Konstantinos Politis in Khirbet Qazone auf der Ostseite des Toten Meeres (vgl. seine Anzeige in AJA 102 [1998], 596f, ein ausführlicher Bericht ist für ADAJ angekündigt. Ich Danke Dr. Politis für freundliche Hinweise), die der neueste Artikel von Puech (1999) noch nicht berücksichtigt. Die Steingefäße hat besonders Deines (1993) mit pharisäischer Frömmigkeit in Beziehung gebracht. Ob Ossuare mit dem Aufkommen der Hoffnung auf individuelle Auferstehung zu verbinden sind, halte ich letztlich für nicht bewiesen, worauf ich in meiner Habilitationsschrift näher eingehen werde.
[ 47 ]Danach fragt zu Recht auch Rutgers (1998) 194f.
[ 48 ]Darauf weist zu Recht Wolfgang Zwickel hin (brieflich).
[ 49 ]Insofern wäre Sanders (1992) um ein Kapitel zur Archäologie zu ergänzen bzw. seine Ergebnisse am archäologischen Befund zu überprüfen.
[ 50 ]Auch hier geht es nur um bestimmte Akzente inmitten einer ganzen Bandbreite von Möglichkeiten. So verzichten samaritanische Mosaiken auf Tier- und Menschendarstellungen und bilden besonders gern Kultobjekte und geometrische Muster ab. Doch ist das Bildprogramm der Synagogenmosaiken dem Pentateuch entlehnt, der ja auch für Juden maßgeblich ist. Auch ist noch während des 4. Jahrhundert nach Christus von jüdischem Einfluss in Kunst und Kultus der Samaritaner auszugehen (Miqwaot). Bis weit in byzantinische Zeit verwendeten Samaritaner zudem auch Griechisch in Schrift und Sprache für Dedikations- und Stifterinschriften. Die Verbindung zur umgebenden Kultur ist also auch noch in der Spätzeit deutlich. Dazu neuerdings Pummer (1998).
[ 51 ]DiSegni (1998) 53.
Originaladresse:
http://www.bibfor.de/archiv/99-1.zangenberg.htm
Informationen zum Autor | Benutzte Literatur | Ausgabe 1/1999 |