Zeitschrift für Theologie aus biblischer Perspektive • ISSN 1437-9341
Markus Öhler, Wien
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Informationen zum Autor | Ausgabe 2/1999 |
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Die jüngere Forschung nach dem historischen Jesus ("The Third Quest") hat zu wesentlichen Fortschritten in unserem Verständnis des Nazareners beigetragen. Dies wird demonstriert durch eine Fülle von Jesusbüchern, die sich auch an ein breiteres Publikum richten. Dabei geht es auch immer wieder um die Fragen, die schon früher wichtig waren, so auch, was uns hier besonders interessiert, ob man Jesus mit einem bestimmten Titel bezeichnen kann. Im Folgenden möchte ich mich einer der gebräuchlichsten Bezeichnungen Jesu widmen: "Prophet".
Es ist nämlich interessant, dass der Terminus profh&thj keineswegs so eindeutig zu definieren ist. So hat schon Helmut Krämer im Anschluss an die Arbeit von Erich Fascher bemerkt: "profh&thj ktl ist eine ebenso durch Feierlichkeit wie durch inhaltliche Leere gekennzeichnete Wortgruppe; sie drückt lediglich die formale Funktion des Aussprechens, Verkündens, Bekanntmachens aus."[ 1 ] Dies ist bis heute auch immer wieder bestätigt worden[ 2 ] und es ist daher meines Erachtens zu fragen, was mit der Bezeichnung Jesu als Prophet in der neueren Forschung gemeint sein kann.
Bevor aber alle diese Fragen genauer betrachtet werden, soll uns ein kurzer Blick auf die Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes Prophet sowie auf phänomenologische Kategorisierungen von Prophetenfiguren in die Problematik einführen.
Die religionswissenschaftliche Beschäftigung mit Titel und Funktion eines Propheten wurde mit Hilfe verschiedener Paradigmata vorgenommen, zumeist nach dem Bild der biblischen Propheten oder aus religionssoziologischer Perspektive.[ 3 ] Als Kennzeichen von Propheten werden hier etwa genannt, dass sie den Willen einer Gottheit verkünden, öfters auch die Zukunft vorhersagen. Ihre Botschaft empfangen Propheten zumeist in Visionen oder Auditionen, die manchmal auch mit ekstatischen Erfahrungen verbunden sein können. Die Gottheit entsendet sie, um die empfangene Botschaft weiterzugeben. Oft werden sie aus ihrem normalen Alltagsleben berufen und sie repräsentieren die Gottheit in Opposition zu einer bestimmten Gruppe (zumeist religiösen und/oder politischen Autoritäten) oder in Repräsentation einer Gruppe. Allerdings ist die genaue Bestimmung, wer nun als Prophet zu bestimmen ist, sehr schwierig. So war es auch möglich, dass religiösen Figuren wie Mohammed oder Zarathustra, die sich selbst als Propheten verstanden und von ihren Anhängern auch so gedeutet werden, dieser Titel abgesprochen wurde.[ 4 ]
Im Blick auf die Antike ist wichtig, dass die meisten modernen Beschreibungen antiker Prophetie sich auch immer am biblischen Bild orientieren. Zuletzt hat David Potter wieder darauf hingewiesen:
"The stress in these definitions on 'speech,' and the concurrent image of the prophet as person, almost always male (often with a long white beard and a staff), who delivers a prophecy at divine initiative simply fails to account for much of the activity that was regarded as 'prophetic' in the ancient world."[ 5 ]
In der Antike konnte sich jeder den Prophetentitel beilegen, auch in völlig profanem Kontext, und viele verschiede Figuren wurden als Propheten bezeichnet. Allein das Wort profh/thj ist nicht einfach zu deuten, da es einerseits das deutliche (pro/) Aussprechen (fhmi/), andererseits pro/ auch zeitlich zu deuten sein könnte.[ 6 ] Obwohl "Sprecher" die grundsätzliche Bedeutung des Wortes ist, wird der genaue Sinn erst durch den Zusammenhang deutlich. So kann ein Prophet der Vermittler göttlicher Orakel sein, aber auch nur deren Deuter. Dichter, Boten, Philosophen, Ansager bei Spielen und noch einige mehr sind als Propheten bezeichnet worden. Der Titel muss also mit Sinn gefüllt werden.
Im frühen Judentum findet sich ebenfalls kein einheitlicher Gebrauch: Die Septuaginta verwendet zwar profh/thj als Übersetzung für ybn, doch werden auch h)r (1 Chr 26,28; 2 Chr 16,7.10; Jes 30,10) und )zwx (2 Chr 19,2; 29,30; 35,15), die beide "Seher" bedeuten, so wiedergegeben. Josephus berichtet einerseits von verschiedenen religiösen Figuren, die er als Propheten bezeichnet, und die sich offenbar gegen die römische Besatzung richteten.[ 7 ] Andererseits kann er auch einen Historiker namens Kleodemos Malchas als Propheten bezeichnen, weil er etwas über die Geschichte der Juden in Ägypten zu berichten weiß.[ 8 ] Es ist daher zutreffend, wenn Rebecca Gray darauf hingewiesen hat, dass die Definition von Prophetie bei Josephus wesentlich umfassender war als unsere moderne.[ 9 ]
Im Neuen Testament finden sich etliche Prophetengestalten, und auch Jesus wird mehrmals als profh/thj bezeichnet (Mk 6,4 parr; 6,15 par; 8,28 parr; Mt 14,5; 21,11.46; Lk 7,16.39; 11,49; 13,33; 20,6; 24,19; vgl. auch Joh 4,19; 6,14; 7,40.52; 9,17; Apg 3,22; 7,37). Besonders illustrativ ist in unserem Zusammenhang die Anführung von Volksmeinungen in Mk 6,14-16 und 8,27-28. Hier wird unter anderem gesagt, dass Jesus wie einer der Propheten wäre (w(j ei[j tw~n profhtw~n). Diese Formulierung lässt aber offen, welche Art von Prophet gemeint ist. Sind es die alttestamentlichen Propheten, an die Jesus die Leute erinnerte?[ 10 ] Oder ordneten sie Jesus in die Gruppe gegenwärtiger Propheten ein?[ 11 ] Anscheinend dachte Matthäus eher an ersteres, da er mit der Anfügung von Jeremia sogar einen alttestamentlichen Propheten nennt, dem Jesus vergleichbar wäre (Mt 16,14). Lukas führt seine Leser und Leserinnen hingegen in eine andere Richtung, denn er ergänzt, dass es sich nach Ansicht des Volkes um die Auferstehung eines alten Propheten gehandelt habe (Lk 9,8.19).[ 12 ] Aus diesen Änderungen gegenüber Mk wird schon klar, dass auch die Evangelisten nicht wussten, was mit der Bezeichnung Jesu als Prophet genauerhin gemeint wäre. Es brauchte Ergänzungen und Modifikationen, um dies in ein christologisches Konzept integrieren zu können. Dies hat sich auch in der theologischen Entwicklung der frühen Kirche fortgesetzt.[ 13 ]
Erst Ende des 2. Jh. wird der Titel Prophet wieder auf Jesus angewandt und dann typischerweise im Anschluss an die Tradition vom eschatologischen Propheten nach Apg 3,22-23. Zumeist wird die Bezeichnung Jesu aber zugleich auch relativiert. Jesus war so nach Origenes nicht nur Prophet, sondern sein Vorzug lag darin, der Sohn Gottes und Erstgeborene aller Schöpfung zu sein (Comm. in Mt 17,14 zu Mt 21,45-46). Augustin bezeichnet Jesus als Herrn der Propheten (Tract. in Joh 24,7). Lediglich in den Pseudo-Klementinen spielt diese Bezeichnung eine wichtige Rolle, denn hier wird mit einer Reihe von Inkarnationen des wahren Propheten gerechnet, als deren Abschluss und Höhepunkt die Inkarnation in Jesus gilt (Hom. 3,20,2).
Der kurze Blick auf die unterschiedlichen Bestimmungen der Bezeichnung profh/thj sowie auf religionswissenschaftliche Annäherungen an diese religiöse Funktion zeigt schon, dass für die Antike nicht von einem klaren Prophetenbegriff ausgegangen werden kann. Auch frühchristliche Autoren verwerteten diesen Christustitel ganz unterschiedlich und meine Frage ist nun, ob sich dies in der heutigen Forschung nach dem historischen Jesus geändert hat. Daraufhin sollen die Jesusmonographien von E. P. Sanders, G. Theißen und A. Merz, J. D. Crossan und J. Becker befragt werden. Als Hilfestellung werden dabei zwei Fragen gelten, und zwar einerseits nach den in diesen Büchern genannten prophetischen Figuren und ihren Kennzeichen und andererseits nach der prophetischen Rolle Jesu.
Edward Parish Sanders ist bekannt als einer der Wegbereiter der neueren Jesusforschung, vor allem durch seine Arbeiten über das Judentum des 1. Jhd. Mit seinem Buch The Historical Figure of Jesus (London u.a. 1993) legt er eine Arbeit vor, die sich auch an interessierte Laien wendet.[ 14 ] Die grundlegende Arbeit Jesus and Judaism (1985) bereitet den Boden für diesen Entwurf eines völlig im Judentum verankerten Jesus, und bereits dort zeigt Sanders auch auf, dass der Titel "Prophet" keinesfalls eindeutig ist: "We have, then, fairly wide agreement on a general category, but it is a category which contains people who differed from one another in substanzial ways" (239).
Die Propheten, die Sanders in seinem Buch anführt, stammen durchwegs aus der Geschichte Israels und dem Judentum.[ 15 ] Als erster Prophet wird Johannes der Täufer erwähnt, und zwar zunächst im Zusammenhang mit seiner Kritik an der Ehe des Antipas und seiner Beliebtheit im Volk (22). Johannes war nach Sanders' Ansicht ein Bußprediger, der Gottes endgültiges Gericht unmittelbar erwartete. Als Vorbild hatte er sich vielleicht sogar Elia ausgewählt, zumindest weist nach Sanders seine Kleidung darauf hin.[ 16 ] Die alttestamentlichen Propheten werden gemeinsam mit Mose und den Priestern als Sprecher Gottes bezeichnet (47). Sie führen symbolische Handlungen durch, vollbringen Wunder und erwarten das Eingreifen Gottes durch eine fremde Armee (259). Die so genannten Zeichenpropheten[ 17 ] wie Theudas oder der Ägypter sammelten Anhänger um sich und versprachen Befreiung (30). Einige von ihnen versuchten, biblischen Vorbildern zu entsprechen: So riefen etwa Theudas und der Ägypter durch ihre Aktivitäten die Exodustradition in Erinnerung. Die Zeichenpropheten versprachen Wunder und wurden wahrscheinlich als die letzten Boten Gottes vor dem Gericht angesehen (163).[ 18 ] Generell waren Propheten stets auch in gewisser Weise ein Unruheherd, gerade in politischer Hinsicht. Sie sind Charismatiker, da ihnen die besondere Fähigkeit zugesprochen wurde, Gott beeinflussen zu können (140). Sie sind zudem autonom, da sie nicht Teil einer bestimmten Gruppe sind.
Jesus ist nach Sanders' Ansicht eindeutig ein Prophet: "I continue to regard 'prophet' as the best single category" (153). Diese eindeutige Stellungnahme findet sich in der Auseinandersetzung mit Morton Smith, der Jesus als Magier bezeichnet hatte,[ 19 ] und findet sich im Abschnitt, in dem es um Jesu Wunder geht. Zwar muss Sanders zugeben, dass Jesus auch als Exorzist wirkte und dass dies keine typisch prophetische Aktivität ist, an der Beschreibung als Prophet hält er dennoch fest. Interessanterweise findet sich die ausführliche Erörterung von Jesu prophetischem Wirken gerade in jenen Kapiteln, die sich mit den Taten Jesu beschäftigen. Dies liegt vielleicht daran, dass Sanders Jesus vor allem auf dem Hintergrund der Zeichenpropheten betrachtet. Diese versprachen ja auch Wundertaten, wenn auch mit eschatologischer Konnotation. Jesus hat nach Sanders nichts dergleichen getan und wurde daher auch nicht als eschatologischer Prophet angesehen. Seine Anhänger nahmen aber an, dass er eine innige Verbindung mit Gott hatte.[ 20 ] Seine Rolle als Sprecher Gottes – eine Kategorie, die zuvor auch für die atl. Propheten, Mose und die Priester gewählt wurde – wurde durch die Wunder und Exorzismen bestätigt. Jesus selbst verstand sich selbst auch als Gottes wahrhaftigen Boten (167), als Bevollmächtigten des Heiligen Geistes (168). Er war ein charismatischer und autonomer Prophet (238), hatte also seine Autorität direkt von Gott. Allerdings beansprucht Jesus für das Eschaton eine über das Prophetenamt hinausgehende Rolle, die des Vizekönigs. Denn er setzt ja die Zwölf als Richter über Israel ein (Mt 19,28 par Lk 18,30). Eines der wichtigsten und folgenschwersten Ereignisse in Jesu Leben war nach Sanders sein Auftreten im Tempel (Mk 11,15-17 parr). Wie die atl. Propheten benützte Jesus eine symbolische Handlung (253), um damit dem Tempel und den damit verbundenen Institutionen prophetisch zu drohen. Wie ein radikaler Endzeitlehrer wartete er auf Gottes letztes Eingreifen, wobei er diese Ansicht von Johannes dem Täufer übernommen hat. In diesem Zusammenhang ist es für Sanders besonders wichtig, den Unterschied zu den Zeichenpropheten zu bewahren. Im Gegensatz zu diesen würde Jesus zur Ankündigung des eschatologischen Ereignisses auf eine Symbolhandlung zurückgreifen und nicht bloß ein Endzeitwunder versprechen. Er nennt dies eine Unterscheidung im Stil, die man nicht unterschätzen darf.[ 21 ]
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Sanders Jesus als radikalen eschatologischen Propheten ansieht. Den Hintergrund dafür bieten vor allem zeitgenössische Propheten, obwohl auch strukturelle Parallelen zu den atl. Vorläufern bestehen. Die wesentlichen Punkte sind dabei vor allem die Taten der Propheten, während die Worte eine geringere Rolle spielen.
War Gerd Theißen bisher zumeist lediglich dem "Schatten des Galiläers" auf der Spur gewesen, so hat er sich nun (gemeinsam mit Annette Merz) daran gewagt, ein großes Jesusbuch vorzulegen, das schon viele Einzelheiten des Nazareners zeigt.
Die ersten Propheten, die in diesem Lehr-Buch ausführlicher behandelt werden, sind die Zeichenpropheten (141-142). Ihre Charakteristika sind Versprechen von Wundern, die Sammlung von Anhängern und der gemeinsame Ortswechsel. Wie Johannes der Täufer und Jesus reaktivieren sie eschatologische Erwartungen, indem sie die Geschichte Israels in Erinnerung rufen. Die meisten von ihnen waren gegen die römische Besatzungsmacht gerichtet, doch einige wandten sich auch gegen das eigene Volk (Jesus ben Hananias – ein Gerichtsprophet, Johannes der Täufer, Jesus von Nazareth). Die atl. Propheten werden von Theißen und Merz besonders oft erwähnt. Sie gelten als Sprecher Gottes, die besondere prophetische Sprachgattungen verwenden. So wird durch die Formel "So spricht der Herr ..." zum Ausdruck gebracht, dass ihre Botschaft direkt aus dem Mund Gottes stammt (456.504). Sie setzen Symbolhandlungen ein (170) und berichten von Berufungserfahrungen (196). Im frühen Judentum galten sie sogar als Gesalbte (453.463). Einige Propheten wie Elia riefen bestimmte Personen in die Nachfolge, andere wiederum standen in Opposition gegen die Stadt Jerusalem und den Tempel (Uriah, Jeremia, auch der samaritanische Prophet).[ 22 ] Jüdische Propheten inklusive Johannes den Täufer erlitten oft ein gewaltsames Schicksal. Johannes hatte nach Theißen und Merz unzweifelhaft ein prophetisches Selbstverständnis. Er war ein Bußprediger, der vor dem unmittelbar bevorstehenden Gericht warnte und die letzte Möglichkeit zur Rettung anbot. Er verstand sich als der letzte Bote Jesu, möglicherweise sogar als der zurückgekehrte Elia.[ 23 ] Die prophetische Rolle des Johannes sollte, so Theißen und Merz unter Verweis auf Tilly (1994), im Kontext der zeitgenössischen Prophetengestalten bestimmt werden (192 Anm. 17).
War nun Jesus auch ein Prophet? Theißen und Merz überschreiben ein Kapitel ihres Buches "Jesus als Prophet: Die Eschatologie Jesu" (221-255). Das zeigt bereits, dass im Blick auf Jesus der Titel "Prophet" vor allem über die Rede definiert wird. Deren Inhalt wird damit auch eindeutiger bestimmt als "Rede über die Zukunft". So hat Jesus zwar eine apokalyptische Botschaft, doch ist diese in prophetische Rede gekleidet. "Seine Verkündigung ist Revitalisierung von Apokalyptik in prophetischer Form" (229). Das prophetische Auftreten ist allerdings nur ein Aspekt der umfassenden Charakterisierung als Charismatiker.[ 24 ] Die beiden anderen sind Jesu Auftreten als Wundertäter sowie als Weisheitslehrer (218). In Auseinandersetzung mit Morton Smith (s.o.) dient dann auch Jesu prophetisches Selbstverständnis dazu, ein magisches Verständnis seiner Wundertätigkeit abzuwehren (276). Als Prophet hat Jesus wohl auch ein Berufungserlebnis gehabt, am ehesten – nach Theißen und Merz (196) – wohl eine Vision des Satanssturzes (Lk 10,18). Die Opposition gegen den Tempel hat Jesus mit einigen atl. Propheten gemeinsam, wobei dies nicht nur ein kultischer, sondern auch ein sozialer Protest ist. Mittels einer symbolischen Handlung (s.o.) hat er die Zerstörung des Tempels angekündigt (170.380-381), und auch die Einsetzung des Abendmahles ist als Einführung des neuen Kultes als Ersatz für den Tempelkult bis zum Anbruch der Gottesherrschaft zu verstehen (380). Statt des prophetischen "So spricht der Herr..." verwendet Jesus "Amen!". Darin sehen Theißen und Merz den Anspruch Jesu, dass hier mehr als ein Prophet spricht (456).[ 25 ] Wie Elia rief Jesus auch Leute in die Nachfolge (199), und er hat auch Gemeinsamkeiten mit den Zeichenpropheten: Mit der Ankündigung eines neuen Tempels greift er auf die Heilsgeschichte Israels zurück, er sammelt Anhänger, er wandert mit ihnen an den Ort des erwarteten Eingreifens Gottes und er stirbt durch die Hand der Römer. Er sieht sich zudem mit diesem ihm bewussten Schicksal in einer Reihe mit den verfolgten Propheten (378).
Insgesamt spielt das prophetische Wirken Jesu eine wichtige Rolle in der Rekonstruktion von Theißen und Merz, auch wenn es nur Teil der Gesamtcharakterisierung als Charismatiker ist. Um diesen prophetischen Anteil genauer zu bestimmen, werden vor allem die atl. Propheten herangezogen, im Wesentlichen in Bezug auf die Botschaft Jesu, während die zeitgenössischen Propheten vor allem mit ihren Taten Parallelen zu Jesus bieten.
Der US-Amerikaner John Dominic Crossan hat eine Reihe von Büchern über den historischen Jesus und die Evangelienüberlieferung vorgelegt, von denen vor allem The Historical Jesus. The Life of a Mediterranean Jewish Peasant (1991) ein Bestseller wurde.[ 26 ] Seine Ansätze wurden stark kritisiert, doch ist hier nicht der Ort, darauf einzugehen. Erneut soll stattdessen unsere erste Frage sein, wer von Crossan als Prophet bezeichnet wird.
Überraschenderweise ist nach über 100 Seiten die erste prophetische Gestalt der jüdische Historiker Josephus (111). Seine Weissagung an den römischen General Vespasian, dass er einst Kaiser werden würde (bell. 3,399-402), sei eine Anwendung jüdischer Messiashoffnung auf den siegreichen General. In dem Abschnitt "Magier und Prophet" (198-236) geht Crossan zu Beginn auf terminologische Fragen ein, allerdings nur bezüglich "Magier". Die Bedeutung von "Prophet" setzt er als bekannt voraus. So sind die ersten dort angeführten Propheten Elia und Elischa, deren Besonderheit für Crossan in ihrer Wundertätigkeit liegt. "Dabei verbinden sie Magie und Prophetie, und als prophetische Magier oder magische Propheten entwickeln und bestärken sie diese Verbindung, die freilich schon im Wirken des Mose angelegt war" (203-204). Eine andere Gruppe von Propheten setzt sich aus Landbewohnern zusammen, wie Theudas, der Ägypter oder andere.[ 27 ] Crossan bezeichnet dies als chiliastische Prophetie.[ 28 ] Ihre Erwartung ist es, dass Gott durch ein gewaltsames Eingreifen die Zustände radikal verändern würde, wobei sie dies durch bestimmte Handlungen einleiten könnten. So führten sie z. B. einen erneuten Exodus durch, indem sie durch den Jordan wieder in die Wüste zogen wie ihre Vorväter durch das Rote Meer (229.272). Johannes der Täufer schließlich war auch ein Prophet, was sogar von Jesus anfangs bestätigt wurde (Lk 7,26 par Q; 322).[ 29 ] Als apokalyptischer Prediger war Johannes in einem gewissen Sinn auch ein politischer Prophet (321). Generell sind Propheten allerdings nur eine Gruppe der von Crossan als veraltet angesehen Mittlerfiguren. Unter ihnen sind sie jene, die die Zukunft ansagen und dies durch Taten anzeigen. Über diese unausgesprochene Definition hinaus setzt Crossan allerdings seine sonst ausführlich demonstrierte Beschäftigung mit kulturanthropologischen Untersuchungen in der Frage von Prophetie nicht fort, im Gegenteil, ihm geht es vor allem um die magischen Elemente (vgl. etwa 226).
Dass Jesus kein Prophet war, ergibt sich aus der Einordnung der Propheten unter die Mittlergestalten. Denn was Jesus, der jüdische Kyniker, wollte, war das mittlerlose und egalitäre Reich Gottes, in dem nicht einmal Jesus eine wichtige Rolle spielte.
Mit dem Kieler Jürgen Becker hat ein Autor, der eigentlich noch nicht zur Third Quest, sondern zur Phase der so genannten "Neuen Frage nach dem historischen Jesus" im Anschluss an Ernst Käsemann gehört, eine umfassende Monographie vorgelegt.
Der erste Prophet in diesem Buch ist Johannes der Täufer (35-58), obwohl er sich nach Becker selbst nicht als Prophet bezeichnet hat. Als Gerichtsprophet steht er in der atl. und jüdischen Tradition und er verwendet auch prophetische Redegattungen. Eine ihm vergleichbare Figur ist Jesus ben Hananias (42.57 Anm. 21.270). Die Zeichenpropheten nennt Becker "Exoduspropheten", da sie mit Hilfe der Wiederholung von Wundern der Exodusgeschichten die Heilszeit einleiten wollten. In gewisser Weise ist damit auch ein messianischer Anspruch verbunden (402).[ 30 ] Ein weiterer Prophet ist nach Becker der Lehrer der Gerechtigkeit, dessen Prophetie als Schriftauslegung geschieht und zudem Heil verspricht (270). Die atl. Propheten werden von Becker sehr häufig herangezogen, um Vergleichsmaterial für Jesus zu bieten. So werden oft prophetische Redegattungen genannt: "prophetische Gerichtsandrohung" (47), "prophetisches Diskussionswort" (64), "typisch ironischer Imperativ, wie er der Prophetie auch sonst geläufig ist" (403) usw. Auch atl. Propheten mussten ihre Berechtigung, als Sprecher Gottes aufzutreten, verteidigen, wie auch Jesus (229). Allerdings gab es im Judentum des 1. Jhd. die Tendenz, den Prophetentitel auch auf Personen anzuwenden, die nicht ganz in dieses Schema passten, wie Abraham, Mose oder Aaron. Die Botschaft vom unmittelbar bevorstehenden Ende der Welt ist ein inhaltlicher Topos, den verschiedene Gruppen und Personen im frühen Judentum von den atl. Propheten übernahmen. Generell sprechen und handeln Propheten mit unmittelbarer Autorität von Gott und berufen sich dazu auf ihre Gotteserfahrung (268). Sie bezeichnen sich nicht selbst als Propheten, sondern werden von den Leuten als solche erkannt.[ 31 ] Mit Hilfe ihrer spezifischen Autorität können sie auch den Anspruch erheben, Ereignisse vorauszusagen (270).
Jesus ist nach Becker ganz unzweifelhaft als Prophet zu bezeichnen, und zwar als "heilsmittlerischer Endzeitprophet der Gottesherrschaft" (234). Mit seinem prophetischen Auftreten war Jesus Teil der israelitischen Tradition, obwohl Becker die so genannte Prophetenanschlussthese ablehnt (268 Anm. 142)[ 32 ], denn Jesus müsse primär im Kontext zeitgenössischer Propheten gesehen werden, wenn auch diese generell atl. Tradition aufgreifen würden. Dies zeige sich z.B. auch an den Sprachformen, die Jesus wählt, um die Gottesherrschaft zu verkündigen: Diskussionsworte, Gerichtsworte und Scheltworte haben prophetischen Klang. Becker definiert, so viel wird daraus schon deutlich, "Prophet" vor allem über die atl. Tradition. Wie damals, so stehen auch Jesus und die anderen Gestalten des 1. Jhd. "außerhalb von Kultur und Gesellschaft" (57.62).[ 33 ] Obwohl Jesus die prophetische Rolle von Johannes übernommen hat, hat er sich doch inhaltlich stark von ihm distanziert (270.272). Als Heilsprophet fällt er in dieselbe Kategorie wie der Lehrer der Gerechtigkeit, wenngleich sich Jesus nicht auf die Schrift stützt, sondern Gott selbst als Autorität beansprucht. Ein Berufungserlebnis, wie es sonst von den Propheten belegt ist, wird uns nach Becker von Jesus freilich nicht berichtet.[ 34 ] Jesus hat auch keine Aussagen über zukünftige Ereignisse getätigt, auch die Weissagung der Tempelzerstörung hält Becker nicht für authentisch (406). Das wesentlich Neue an Jesus ist aber, dass er nicht nur Kommendes ansagt und hoffen lehrt. "Er realisiert dies Kommende und vollzieht sich durchsetzendes Vollendungsgeschehen" (274). Dies tut er durch Worte (v. a. die Gleichnisse) und Taten (Mahlgemeinschaft und Wunder). Die Kategorien Wundertäter, Exorzist, Weisheitslehrer sind alle in der einen Charakterisierung als Prophet eingeschlossen. Als "Bewirker endzeitlicher Vollendung" (271) übernimmt er die Rolle des eschatologischen Elia oder Mose, ohne sich freilich mit ihnen zu identifizieren. Schließlich versucht Becker, auch den Prozess gegen Jesus auf dem Hintergrund seines prophetischen Anspruches zu verstehen: Jesus wurde von seinen jüdischen Gegnern als falscher Prophet angeklagt und entsprechend Dtn 13,1-6; 18,9-22 verurteilt (412).[ 35 ]
Insgesamt ist für Becker festzuhalten, dass bei ihm die Kategorisierung Jesu als Prophet sehr genau und umfassend ist. Die wesentlichen Charakteristika werden von den atl. Propheten übernommen, ohne dass Unterschiede zwischen ihnen und dem 1. Jhd. übergangen werden. Allerdings birgt die Festlegung einzig auf die Rolle Jesu als Prophet auch Probleme: Jesus übernimmt eine Funktion, die weit über die der atl. oder zeitgenössischen Propheten hinausgeht.[ 36 ] Er selbst führt die eschatologische Heilstat Gottes durch und wird zur bestimmenden Figur, an der sich auch die Teilhabe an der Basileia entscheidet. Damit wird das herkömmliche Verständnis von Prophet als Sprecher einer Gottheit gesprengt.[ 37 ]
Im Wesentlichen hat sich an diesen Beispielen aus der jüngsten Forschungsgeschichte zunächst einmal gezeigt, dass offenbar keine klare Definition davon vorliegt, was denn ein Prophet ist. Was für die Antike galt, nämlich dass völlig unterschiedliche Personen und Funktionen damit bezeichnet wurden, gilt auch für die Third Quest. Manche der jüngeren Rekonstruktionen basieren vor allem auf der Rede (Theißen/Merz, Becker), andere wiederum orientieren sich mehr an den Taten (Sanders, Crossan). Was für den einen prophetisch ist, ist für den anderen weisheitlich, ohne dass dabei die Frage nach Definitionen überhaupt berührt wird.
Weiter ist deutlich, dass die Beantwortung der Frage, was einen Propheten ausmacht, vor allem damit zusammenhängt, welche Parallelen dafür herangezogen werden. Zumeist sind es vor allem die atl. Propheten, zum Teil verstärkt durch ihre jüdischen Entsprechungen, wie sie Josephus beschreibt. Dies hängt damit zusammen, dass vor allem der jüdische Kontext Jesu innerhalb der neueren Forschung von großer Bedeutung ist. Allerdings werden etwa hellenistische Manifestationen von Prophetie dabei völlig übergangen, obwohl doch die Autoren der Evangelien wie Josephus und die Leser und Leserinnen ihrer Werke auch mit paganer Prophetie konfrontiert waren. Dies sollte trotz der Tatsache bedacht werden, dass sich die Ereignisse, die sie erzählen, in Galiläa und Judäa zutragen.
Ein ganz anderer Gedanke ist m.E. aber ebenso zu bedenken, denn unser Blick sollte nicht nur auf antike Formen von Prophetie gerichtet sein, sondern ebenso auf die heutige Diskussion über entsprechende religiöse Phänomene. Die Frage nach dem historischen Jesus könnte hier durch die vergleichende Religionswissenschaft weitere Impulse bekommen, wenn auch selbstverständlich innerhalb dieses Wissenschaftsbereich ebenfalls keine eindeutige Definition von "Prophet" zu erwarten ist. Aber wenn es z. B. zutrifft, dass Propheten stets einer bestimmten Gruppe verpflichtet sind, deren Stellung innerhalb der Gesellschaft außerhalb von Machtfunktionen war,[ 38 ] so wäre in Bezug auf Jesus zu fragen, welche Gruppe denn das bei ihm gewesen sein könnte: Die von den Römern bedrängte Landbevölkerung oder Leute, die auf eine religiöse Revolution hofften? Was ließe sich bei Jesus über ekstatische Erfahrungen sagen, die als reguläres Element prophetischen Wirkens gelten? Möglich wäre auch, dass auf Grund des Vergleiches mit anderen prophetischen Erscheinungen gegenwärtiger Religionen Jesus nicht mehr als Prophet bezeichnet wird.[ 39 ]
Egal, welchen Weg wir in dieser Frage wählen, wir müssen weiterhin bedenken, dass die Bezeichnung "Prophet" nicht nur innerhalb wissenschaftlicher Diskussion mehrdeutig ist, sondern auch in verschiedenen Kulturen und Religionen. In Islam, Judentum und Christentum – und in allen ihren Spielarten – sowie in etlichen anderen Religionen haben Propheten eine gewisse Rolle, die aber stets unterschiedlich beschrieben bzw. ausgeübt wird.[ 40 ] Und wenn man zusätzlich noch bedenkt, dass etwa im deutschen Sprachraum mit "Prophet" zumeist die Voraussage von konkreten Ereignissen ("Wetterprophet") verbunden wird, so stellt das auch unsere Wissenschaft vor die Frage, ob diese Kategorie auf Jesus tatsächlich noch anwendbar ist.[ 41 ] So spielt gerade dieser Aspekt bei der Rekonstruktion durch Becker, der ja Jesus am nachdrücklichsten als Prophet bezeichnet, gerade keine Rolle. Missverständnisse, die daraus resultieren, wären u.U. vermeidbar, wenn zumindest klare Definitionen beigegeben würden.
Andererseits hat die Bezeichnung Jesu als Prophet den Vorteil, dass sie an den Glauben nicht so hohe Ansprüche stellt wie etwa Messias o.ä. Auch andere Religionen können damit leben, dass Jesus tatsächlich ein Prophet war.[ 42 ] Zudem können viele Elemente aus Jesu Leben und Wirken in diese breite Kategorie eingebracht werden, was bei anderen vielleicht weniger gut möglich ist. Doch bedeutet dies auch einen gewissen Verlust, der zeigt, dass die Bedeutung Jesu nicht nur in seinem irdischen Wirken begründet ist, sondern eben auch darin, dass ihn die Gemeinde als den Kyrios Christos verehrt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Die Forschung nach dem historischen Jesus, die in den letzten Jahren weitere Schritte nach vorn getan hat, sollte sich bemühen, religions-, kultur- und soziologiewissenschaftliche Fragestellungen noch stärker zu berücksichtigen, als dies bisher der Fall war. Dabei darf auch nicht übersehen werden, welche Bedeutung bestimmte Begriffe, die uns vielleicht selbstverständlich sind, in der heutigen säkularen Sprache haben.
Im Blick auf die Vergabe von Titeln sollte allerdings
Andererseits kann man sich diese Arbeit möglicherweise auch ersparen, wenn man ganz auf Titel verzichtet.[ 43 ]
Anmerkungen
[ 1 ]
Krämer (1959) 794. Vgl. Fascher (1927) 51: "Profh/thj allein ist ein 'Rahmenwort' ohne konkreten Inhalt."
[ 2 ]
Vgl. Ernst (1989) 290: "Die Kennzeichnung eines Menschen als Prophet ist eine Worthülse, die mit Inhalt gefüllt werden muss."; Tilly (1994) 13. Das Urteil von Aune (1983) 4, dass Krämers Bestimmung "semantic nonsense" sei, verfehlt m.E. den Punkt, auf den es ankommt: Der Titel Prophet wird durch den Kontext definiert.
[ 3 ]
Vgl. Klein (1997) 473-476; Sheppard/Herbrechtsmeier (1987) 8-14; Ebach (1998) 347-359. Ein Vergleich zwischen atl. Propheten und ähnlichen Gestalten in der Religionsgeschichte wurde wiederholt angestellt: Wilson (1980) und Overholt (1986). Zur phänomenologischen Bestimmung innerhalb der Religionswissenschaft vgl. van der Leeuw (1977) 244-250; Heiler (1961) 395-402.
[ 4 ]
Vgl. etwa Wach (1951) 394.
[ 5 ]
Potter (1994) 10. Einen Überblick über Prophetie in der Antike bieten z. B. Fascher (1927) 11-224, und Aune (1983) 23-79.
[ 6 ]
Allerdings ist man sich sicher, daß letztere Bedeutung später ist. Vgl. Fascher (1927) 6; van der Kolf (1957) 797-798; Potter (1994) 10.
[ 7 ]
Theudas (ant. 20,97-99), der anonyme Ägypter (bell. 2,261-263; ant. 20,169-172) und einige anonyme Propheten (bell. 6,285). In c. Ap. 2,91 wirft Josephus seinem Gegner Apion vor, fälschlich als Prophet zu agieren.
[ 8 ]
Kleo/dhmoj de/ fhsin o( profh/thj o( kai\ Ma&lxoj i(storw~n ta\ peri\ )Ioudai/wn (ant. 1,240). Josephus verwendet hier eine Notiz, die er Alexander Polyhistor entnimmt und es ist nicht eindeutig zu bestimmen, ob o( profh&thj Teil des Zitates ist bzw. wie Josephus die Bezeichnung Prophet gedeutet hat; vgl. Aune (1982) 419-421; Feldman (1990) 400-401. Vgl. auch Tit 1,12: Ein kretischer Prophet bezeichnet seine Landsleute als Lügner, böse wilde Tiere und faule Bäuche.
[ 9 ]
Gray (1993) 165.
[ 10 ]
Für ein – durch den Kontext naheliegendes – eschatologisches Verständnis dieser Identifikation vgl. etwa Cullmann (1966) 33-34; Hahn (1995) 222 Anm.3.
[ 11 ]
Vgl. Friedrich (1957) 843; Gnilka (1989) 249; Lührmann (1987) 116. Horsley (1985) 436, weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Bedeutung der sozialgeschichtlichen und soziologischen Fragestellung hin, etwa in Bezug auf das Auftreten von Propheten.
[ 12 ]
Wahrscheinlich hat Lukas dies aus der parallelen Formulierung, die zuvor über Jesus als den auferstandenen Johannes verwendet wurde, geschlossen, obwohl er bei der Auferstehung eines Propheten a)ni/sthmi statt e)gei/rw verwendet. Dies hängt wohl damit zusammen, dass in Apg 3,22-23 (vgl. 7,37) Petrus auf Jesus als den eschatologischen Propheten wie Mose (Dtn 18,15.18) verweist: Profh&thn u9mi=n a)nasth/sei ku&rioj o9 qeo_j u(mw~n. Wahrscheinlich soll die Formulierung in Lk 9,8.19 einen ersten Hinweis darauf geben. Zur Funktion des Prophetenbildes für die lk. Christologie vgl. Nebe (1989).
[ 13 ]
Vgl. Grillmeier (1979) 32-40.
[ 14 ]
Die deutsche Übersetzung erschien unter dem irreführenden Titel "Sohn Gottes. Eine historische Biographie Jesu" (übersetzt v. U. Enderwitz, Stuttgart 1996). Der Titel "Sohn Gottes" spielt in Sanders Rekonstruktion des historischen Jesus keine Rolle! Seitenangaben beziehen sich im Folgenden auf die engl. Originalausgabe.
[ 15 ]
Vorwegnehmend sei gleich angemerkt, daß dies auch der Fall bei allen anderen von mir durchgesehenen Autoren und Autorinnen ist.
[ 16 ]
Zu dieser Frage wie insgesamt zur Eliarolle des Täufers vgl. meine Arbeit Öhler (1997).
[ 17 ]
Diese Terminologie stammt von Barnett (1981) 679-697; vgl. etwa auch Evans (1995) 73. Horsley (1985) bezeichnet sie als "prophets who lead movements" (454); vgl. auch Webb (1991) 333. Aune (1983) ordnet sie als Propheten innerhalb einer Endzeitbewegung ein (127-129).
[ 18 ]
Zur Kritik an der Eschatologisierung der bei Josephus erwähnten Propheten des 1. Jhd. vgl. Gray (1993) 140-143.
[ 19 ]
Smith (1981) passim.
[ 20 ]
Sanders verweist in diesem Zusammenhang auch auf Vermes (1993), der etwa Honi den Kreiszieher oder Hanina ben Dosa als Charismatiker bezeichnet (55).
[ 21 ]
Sanders (1985) 235. Ich halte das allerdings für wenig überzeugend, denn auch Jesus hat mit seiner Handlung etwas angekündigt, das sich in etwa mit der Erwartung des Ägypters vergleichen lässt, die Mauern um Jerusalem würden einstürzen.
[ 22 ]
Vgl. Josephus, ant. 18,85-87, wobei allerdings anzumerken ist, dass der Samaritaner von Josephus nicht als Prophet bezeichnet wird und die Opposition gegen den Jerusalemer Tempel für jeden Samaritaner zum religiösen Selbstverständnis gehörte; vgl. Zangenberg (1998) 140-148.
[ 23 ]
Vgl. dazu Öhler (1997) 103-110: Das Selbstverständnis des Johannes als Prophet lässt sich ableiten von seiner starken Bindung an die Erwartung des wiedergekommenen Elia laut Mal 3,23-24. Wäre es denkbar, dass sich vielleicht auch Jesus an einem atl. Propheten orientiert hat? Meyer (1994) hat dabei ebenfalls an Elia gedacht (1044-1045).
[ 24 ]
Zur Diskussion über diese Bezeichnung in der Jesusforschung vgl. jetzt auch Malina (1996) 123-142.
[ 25 ]
Genau genommen spricht Jesus das Urteil "mehr als ein Prophet" über Johannes den Täufer (Lk 7,28 par Q), doch ließe sich auch an Lk 11,32 par Q denken: "Hier ist mehr als Jona."
[ 26 ]
Die deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel "Der historische Jesus" im Jahr 1994, auf diese wird auch im Folgenden verwiesen. Weitere Titel sind im Literaturverzeichnis genannt.
[ 27 ]
Crossan (1994) 585, nennt zehn Propheten für die Zeit von 30 vor bis 70 nach Chr.: Johannes den Täufer, den samaritanischen Propheten, Theudas, den ägyptischen Propheten, Jesus ben Hananias, Jonathan den Weber und einige anonyme Propheten.
[ 28 ]
Chiliasmus bedeutet streng genommen eigentlich die Erwartung eines tausendjährigen Reiches, das bei den angeführten Propheten nie erwähnt wird. Crossan will aber durch abweichende Terminologie diesen bäuerlichen Zweig der Apokalyptik und Prophetie von ihrem aristokratischen Pendant abgrenzen.
[ 29 ]
Allerdings habe Jesus dies später widerrufen, wie Lk 7,28 zeigen soll: "Unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer als Johannes der Täufer; aber der Kleinste in dem Reich Gottes ist größer als er." Crossan meint darin erkennen zu können, dass Jesus sich von der johanneischen Botschaft eines kommenden Richters abwandte hin zur Botschaft von der Gegenwart der Gottesherrschaft. Meiner Meinung nach ist allerdings Lk 7,28 par kein Wort des historischen Jesus, sondern Gemeindetradition zur Einordnung des Täufers in die Heilsgeschichte.
[ 30 ]
Bei Becker (1972) 47-48, werden sie als eschatologische Propheten beschrieben, die Wunder als typologische Wiederholung des Exodus versprechen. Dort wird ausdrücklich davor gewarnt, diese Propheten mit einem Messiasanspruch zu verbinden (49-50).
[ 31 ]
Dass dies auch im Hellenismus so sein kann, zeigt die illustrative Szene, als Lukian den Propheten Alexander von Abonuteichos nur mit seinem Namen anspricht. Während der Prophet darüber hinwegsieht, wird Lukian von dessen Anhängern deswegen fast erschlagen (Alex. 55).
[ 32 ]
Ein Vertreter dieser These, wonach Jesus die alte prophetische Tradition Israels wieder aufgegriffen hätte, war Montefiore (1968) cxvii-cxx.
[ 33 ]
Gemeint ist wohl, außerhalb der festgefügten sozialen Struktur von Sippe, Dorf etc., denn Außenseiter sind selbstverständlich Teil der sie umgebenden Kultur, auch als Kontrapunkt.
[ 34 ]
Diskutiert wird in diesem Zusammenhang meistens die Taufe Jesu; vgl. Aune (1983) 161.
[ 35 ]
Die atl. Texte und ihre jüdische Auslegung sind allerdings explizit nur gegen Verführer zu anderen Göttern oder Propheten gerichtet, deren vorausgesagte Ereignisse nicht eintreffen. Weder das eine noch das andere war allerdings bei Jesus der Fall.
[ 36 ]
Auch die Zeichenpropheten versuchten, die Heilszeit durch Taten herbeizuführen, doch Jesus lebt nach Becker in dem Bewusstsein, daß das Eschaton schon angebrochen ist und er dessen Vollzugsorgan ist.
[ 37 ]
Wieder könnte man dabei aber auch an Alexander von Abonuteichos und seinen prophetischen Anspruch denken, der sich gleichzeitig auch als Gottesenkel bezeichnete – zumindest nach seinem Kritiker Lukian.
[ 38 ]
Sheppard/Herbrechtsmeier () 13.
[ 39 ]
Dies ist allerdings eine allgemeine Problematik historischer Wissenschaft, deren Aufgabe der Korrelation immer mit dem Konflikt behaftet ist, ob die Kategorien und Vergleichsobjekte aus der entsprechenden Zeit oder aus der Gegenwart stammen sollen.
[ 40 ]
Zum Islam vgl. Fahd () 93-97, zum Judentum Wurzburger () 1179-1181.
[ 41 ]
Vgl. Ebach (1998) 347-48. Auch für kommerzielle Zwecke wird dieser Titel gerne verwendet. Eine nur oberflächliche Suche im Internet ergab gleich zwei aufschlussreiche Dokumente: "Power Prophet" (http://www.siemens.at/pse/PProphet/de/Inhalt.htm) ist ein Programm zur Vorhersage der Entwicklungen von Aktien und Wechselkursen, "Prophet" (http://www.tgz-ilmenau.de/fhg-ast/german/EMS.html) dient zur Verwaltung von Energiesystemen.
[ 42 ]
Im Islam gilt Jesus eindeutig als Prophet Allahs (Sure 19,30). Für die jüdische Perspektive vgl. Hagner (1984) 237-242.
[ 43 ]
Vgl. Sanders (1996) 239-240: "We all think that if we know the right word for something we understand it better, but in this particular case such a view is probably incorrect. The quest for the right title – the word that encapsulates Jesus' view of himself, as well as the first disciples' view – supposes that titles had fixed definitions and that we need only discover the definition of each. If title a meant x, and if Jesus used a of himself, we know that he thought of himself as being x. I think that the basic assumption, that titles had standard definitions, is in error."
Originaladresse:
http://www.bibfor.de/archiv/99-2.oehler.htm